3 schätze: Hallo Julian, ich freue mich Dich wieder hier bei 3 schätze begrüßen zu können. Vor einigen Jahren hast Du ja für eine ganze Weile mit uns im Bonner San Bo Dojo meditiert und bist dann zu einer längeren Reise aufgebrochen. Erzähl doch mal, was Dir in der Zwischenzeit widerfahren ist und was Dich schließlich wieder ins Rheinland verschlagen hat.
Julian: Ja Patrick, ich freue mich auch total wieder hier bei Dir in deinem Laden zu sitzen! Nach meinem abgeschlossenen Studium musste ich mich 2012 der Frage stellen: Wie und womit geht es jetzt weiter? Und an der eingeschlagenen wissenschaftlichen Karriere hatte ich ordentlich Zweifel und war insgesamt unzufrieden mit meinem Leben. Relativ schnell kam die Entscheidung, die Doktorarbeit sein zu lassen und die Meditation zu vertiefen. Ich habe mich auf den Weg in das Kloster meines Achtsamkeits- und Meditationslehrers Thich Nhat Hanh gemacht. Ein unheimlich beeindruckender und weiser, vietnamesischer Zen-Mönch, in dessen Gemeinschaft ich sehr viel über mich und die Achtsamkeits-Praxis gelernt habe. Ich habe damals nach 3 Monaten mit dem Gedanken gespielt, bei ihm Mönch zu werden, aber irgendwie wollte ich doch noch mehr ausprobieren und experimentieren, mein Körper fühlte sich nicht gut an mit dem ganzen Sitzen.
3 schätze: Wie lief das konkret?
Julian Welzel: Ich bin dann für ein halbes Jahr nach Indien gegangen und dort von Ashram zu Ashram, von Meditationszentrum zu Meditationszentrum gereist. Das waren sau spannende Erfahrungen in den verschiedensten spirituellen Traditionen, mit verschiedenen Meditationstechniken, ob nun Mantren chanten, den Übungen der Yogis – Hüpfen, Schreien, Lachen, Fasten – es war sehr bunt und vielfältig. Auf diese Weise habe ich spannende Lehrer wie Osho, Amma, Ramana Maharshi, Sadhguru und viele kleinere, unbekanntere Lehrer und ihre Zugänge kennengelernt. Wo ich eine tiefe Wahrheit oder Weisheit gespürt habe, bin ich geblieben, sonst bin ich weiter gezogen.
Auf diesem Weg habe ich lustigerweise in Indien Qigong kennengelernt, eine aus dem Daoismus und dem alten China kommende Praxis von meditativen Bewegungen. Dabei habe ich mich meiner eigenen Sensitivität geöffnet und so viel (Qi fließen) gespürt, dass ich diese Spur unbedingt weiter verfolgen musste. Ich bin dann nach einer kleinen Pause in Deutschland in die Wudang-Berge nach China gereist. Dort wird der Ursprung des Taiji und Qigong vermutet, jedenfalls gibt es dort alte daoistische Klöster, welche die kulturelle Revolution überlebt haben. Dort, als auch später in Thailand bei Mantak Chia, bin ich dann in die Übung von Taiji, Qigong und anderen daoistische Praktiken eingetaucht.
3 schätze: Und wie bist Du zur Massage gekommen?
Julian Welzel: Weil ich seit der Endphase des Studiums öfter Bauchschmerzen hatte, die weder ich noch westliche Mediziner verstanden, empfahl mir ein Freund in Thailand einmal zu einer dort angebotenen Bauchmassage namens Chi Nei Tsang zu gehen. Das war ein sehr verwirrendes Erlebnis, weil diese Massage, obwohl ich während der ersten Sitzung sehr starke Schmerzen hatte, sich sehr heilsam anfühlte. Bis dahin hatte ich Schmerz immer als schlecht angesehen und ihn vermieden, plötzlich erfuhr ich einen wohltuenden Schmerz, konnte ihn anschauen und umarmen. Ich bin dann für zweieinhalb Monate geblieben, bin zusammen mit der Massagetherapeutin achtsam und vorsichtig in vielen Bauchmassage-Sessions in den Schmerz hineingegangen und habe sukzessive immer mehr verstanden, was der Schmerz bzw, mein Körper mir eigentlich erzählen wollte. Das war eine große Befreiung, ich habe viel Balast und Schwere abgeworfen, die ich vorher mit mir herum getragen hatte und habe mich danach sehr leicht und frei – fast schon schwebend – gefühlt.
3 schätze: Wie ging es dann weiter?
Julian Welzel: Mit meinem Vater bin ich dann nach Südamerika gereist, habe das neue Glücklichsein sehr genossen und hatte mehr und mehr das Gefühl, dass es doch wunderbar wäre diesen – im Westen so unbekannten – Ansatz und diese Massage-Technik zu erlernen und langfristig hier in Deutschland zu praktizieren. Ich bin dann 2015 für vier Monate nach Thailand zurückgekehrt, um dort von einigen wunderbaren Lehrerinnen und einer faszinierenden thailändischen Meisterin die Kunst der Bauch- und – ein kleines bisschen wenigstens – der Thai-Massage zu erlernen. Ich habe dort gemerkt, dass das Geben einer Massage sich für mich genau richtig anfühlt, mich gleichzeitig mit Sinn erfüllt und zu einer großen inneren Ruhe und Zentriertheit führt plus auch noch viel Spaß macht.
3 schätze: War das Reisen damit vorbei?
Julian Welzel: Hahaha. Nein, ich bin dann nochmals für fünf Monate nach Indien zurückgekehrt, um dort eine Form der Ayurvedischen Ganzkörpermassage zu empfangen und zu erlernen. Auch dort habe ich einen sehr beeindruckenden Meister gefunden, dessen Tiefe, Heilungszugang und Ego-Losigkeit mich sprachlos gemacht hat und dem ich sehr dankbar dafür bin, was er mir alles beigebracht bzw. in welche Tiefen auf dem Weg zum Selbst er mich mitgenommen hat.
3 schätze: Jetzt bist Du aber wieder ins Rheinland zurückgekehrt und bietest, seit den Massagetagen während des Kirschblütenfests Ende April 2016, auch Massage-Sitzungen bei 3 schätze an…
Julian Welzel: Ja, genau. Mit diesen Meditationserfahrungen und den beiden Massage-Techniken im Gepäck bin ich wieder hier angekommen und biete jetzt Wellness-Massagen im Raum Köln/Bonn an. Und gehe bald zur Heilpraktiker-Schule um dann auch therapeutisch arbeiten zu können.
3 schätze: Du gibst ja nicht nur Massagen bei 3 schätze. Am 18./19. Juni findet auch ein Bauchmassage-Workshop mit Dir und Kelly Owen aus den USA bei 3 schätze statt.
Julian Welzel: Da freue ich mich schon sehr drauf! Kelly habe ich ja bei Dir vor einem Jahr kennengelernt. Danke dass Du hier so ein einzigartiges Forum bietest, wo sich viele tolle Menschen treffen! Auch Kelly hat eine lange und spannende Reise hinter sich und verfügt über hohe intuitive Fähigkeiten, die fürs Massieren so wichtig sind. Da wir beide als gemeinsame Technik Chi Nei Tsang gelernt haben, bieten wir zusammen einen Bauchmassage-Workshop an, aber sicherlich wird jeder von uns dort auch zusätzlich seine eigenen Erfahrungen einbringen.
3 schätze: Das San Bo Dojo ist ein Meditationszentrum für die Praxis von Zazen, 3 schätze bietet Meditations- und Yogazubehör und Veranstaltungen rund um Meditation und Yoga an. Du bist über die Sitzmeditation zur Massage gekommen. Wo besteht da der Zusammenhang?
Julian Welzel: Oh, das ist ein großes Fass, hahaha. Mein Eindruck ist, dass so wie wir hier im Westen aufwachsen und wie es sich über tausende Jahre entwickelt hat, wir uns der Existenz mit viel Denken nähern. Wir sind Meister des Fokussierens, der Konzentration, der Effizienz, der Kommunikation. Es geht oft um Wettbewerb – Ziele setzen und erreichen, schneller, weiter, höher, besser, mehr usw.. Es geht ums Machen und ums Ich, das macht und tut. Alle gehen an ihr Limit, bemühen sich nach Kräften – das ist sehr anstrengend, erzeugt viel Kampf und Stress und erfordert als Schutz eine gewisse Härte.
Meine Meditations- und Reiseerfahrungen in Asien haben mir den Eindruck gegeben, dass die „östliche Weisheit“ in einer tendenziell anderen Haltung zum Leben besteht: Einfaches Sein, mit einem offenen und weiten Bewusstsein die Einheit und den Fluss der Dinge erfahren. Weichheit und Gelassenheit statt Kampf und Härte. Geschehenlassen statt Kontrolle. Mir ist klar: Das sind jetzt alles spirituelle Buzzwords und trotzdem kann man da vielleicht den Geschmack bzw. das Gefühl dieser verschiedenen Zugänge wahrnehmen.
3 schätze: Und was hat dieser unterschiedliche Zugang mit Massage zu tun?
Julian Welzel: Es ist leider ganz schön schwer diese kulturelle Konditionierung beiseite zu lassen und ich habe es selber gemerkt, dass wenn man den westlichen Zugang in die Meditation mitnimmt, daraus ganz schnell eine Konzentrationsübung oder ein Wettbewerb wird nach dem Motto: Wer kann sein Bein höher strecken und gleichzeitig am tiefsten in den Beckenboden atmen?! Oder: Ein bisschen Entspannungscoaching um danach noch mehr bei der Arbeit leisten zu können. Oder innerhalb der spirituellen Community: Wer ist am Ich-losesten und entspanntesten?
Das Schöne bei der Massage ist: Man fängt beim Körper an und sowohl beim Empfangen als auch beim Geben geht es vornehmlich ums Fühlen. Damit ist die Gefahr das Ganze zu einem verkopften, mentalen Programm werden zu lassen kleiner. Du kannst dir in deinem Verstand eine Geschichte zurecht legen wie super offen, entspannt und feinfühlig du bist – die Verspannungen und Blockaden im Körper sprechen eine eigene Sprache, deine Unsicherheiten, Verletzungen und Schutzpanzer kommen sehr ehrlich zum Vorschein. Und positiv gesprochen ist es dadurch auch leichter den eigenen Körper bewusst zu erfahren und durch die achtsame Zuwendung zu erkennen, was mich daran hindert offen, entspannt, frei usw. zu SEIN.
3 schätze: Sprich: Massage und Meditation gehen Hand in Hand?
Julian Welzel: Ja, genau. Eine meditative Massage sieht und berührt die im Körper akkumulierte Last, Schwere und Negativität von einem Ort aus, von dem aus sie losgelassen bzw. transformiert werden kann. Und andersherum kann die Massage Dich genau wie die Meditation näher zu diesem geheimnisvollen Ort ohne Namen bringen.
3 schätze: Vielen Dank für das Gespräch 😀
Julian Welzel: Gerne 😀
Chi Nei Tsang – Was sagt mir mein Bauch?
Bauchmassage-Workshop mit Kelly Owen (USA) und Julian Welzel (D)
In unserem Alltag arbeiten wir viel, strengen uns in jeder Hinsicht nach Kräften an. Und dennoch bleibt oft das Gefühl zurück, dass es nicht genug ist, es einfach nicht reicht. Das ist frustrierend, produziert Stress und macht uns unzufrieden mit unserem Leben. Konfus, orientierungs- und rastlos jagen wir in allen Richtungen den Ideen unseres Verstandes und unseres Egos von einem erfolgreicheren Leben, einer besseren Welt, erfüllenderen Beziehungen oder einfach nur ein bisschen mehr Spaß hinterher, ohne dabei jedoch tiefes Glück oder Wahrheit zu finden.
Im Kern geht dies darauf zurück, dass wir unsere Klarheit darüber wer wir wirklich sind – unser Zentrum – verloren haben. Chi Nei Tsang ist ein möglicher Weg zurück hinein in unsere persönlichen Wahrheit, in dem wir lernen zuzuhören, was uns unser ureigenes Zentrum – der Bauch – zu sagen hat.
Weitere Infos und eine Anmeldemöglichkeit zum Chi Nei Tsang/Bauchmassage Workshop mit Julian Welzel und Kelly Owen findest Du hier.
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