FORMBEWUSSTSEIN – Ein Interview mit Frank Berzbach

Berzbach-FormbewusstseinMit seinem neuen Buch „Formbewusstsein – Eine kleine Vernetzung der alltäglichen Dinge“ beleuchtet Frank Berzbach die alltäglichen Dinge. Es ist ein Erforschen ihrer grundlegende Bedeutung und die Verortung in einem größeren Kontext. Das Buch ist ein Plädoyer für den bewussten Umgang mit sich selbst und anderen. Mit Medien, Nahrung und den Dingen…

 

3 schätze: Lieber Frank, ich lasse den Dr. mal weg, gerade ist Dein neues Buch „Formbewusstsein – Eine kleine Vernetzung der alltäglichen Dinge“ erschienen. Am 05.10.2016 wirst Du mit einer Lesung bei 3 schätze zu Gast sein. Eine gute Gelegenheit für ein Interview…

Frank Berzbach: Ich freue ich sehr über Deine Einladung; es ist mir wichtig, es an einem Ort präsentieren zu dürfen, der mich selbst geprägt hat. Das Buch hat, wie auch der Vorgänger, viel mit Zen zu tun. Das ganze neue Buch ist inspiriert vom Satz „Form ist Leere, Leere ist Form“. Die Formen finden wir in der Welt der Unterschiede, die Leere betrifft die Einheit aller Dinge. Beides existiert zugleich. In dem Buch beschäftige ich mich innerhalb meiner kleinen Möglichkeiten mit dem Verhältnis, der Harmonie zwischen diesen beiden Polen. Das Alltägliche ist überaus wichtig und zugleich trivial. Kleidung prägt uns – sie wird unterschätzt und überschätzt. Das ist paradox, aber wir müssen damit umgehen. Das Buch sucht nach Umgangsformen, nach heilsamen Aspekten der Formgebung. Ich versuche zu aktivieren, bewusst zu machen. Das Buch bedient sich dabei aus einer  Vielzahl von buddhistischen, christlichen, philosophischen und psychologischen Quellen.

3 schätze: „Formbewusstsein“ stellt Fragen nach unserem Verhältnis zu den Formen der Liebe, der Ernährung, der Medien und der Kleidung. Wie ist Dein Verhältnis zu den Dingen? Ist dies immer gleich?

Frank Berzbach: Nein, unser Verhältnis zu den verschiedenen Formen ist nicht gleich. Aber ich glaube, dass unsere Mediennutzung, unsere Formen der Beziehung, der Kleidung und zum Besitz nicht unabhängig voneinander existieren. Die Dinge sind verschieden, aber doch verknüpft. Wer zu viel Fernsehen schaut, wird sich auf eine bestimmte Art ernähren, weil sich sein Wissen anders zusammen setzt. Das TV hat das „Nebenbeiessen“ erfunden. Aber auch unsere Beziehungen, unser Verhältnis zum Besitz und andere Dinge sind verknüpft. Wer zum Beispiel seine Essgewohnheiten ändert, der ändert sein ganzes Leben. Und auch das von anderen Lebewesen, zum Beispiel von Tieren. Ich bin Vegetarier; ich glaube als Christ oder Buddhist muss man das auch sein.

Berzbach-Formbewusstsein-Inhalt

3 schätze: Sehr schön fand ich den Satz „Wenn wir morgens aufwachen, sind wir alle gleich. Doch dann ziehen wir uns an“. Was bedeutet aber dieses „Wir sind alle gleich“? Auf welcher Ebene begegnen wir uns da?

Frank Berzbach: Der Satz ist ironisch gemünzt auf die große Bedeutung der Kleidung. Durch die Art, wie wir uns kleiden, beeinflussen wir unsere Haltung, unser Selbstbild und wir werden von anderen entsprechend eingeschätzt. Kleidung ist ein nonverbales Signalsystem von großer Kraft. Nicht umsonst trägt man beim Zazen keine Hawaihemden, sondern schwarze Roben. Zazen in Highheels wäre nicht das, was Zazen eben ist.

3 schätze: Wie steht es mit unserer Identifizierung mit den Dingen, mit uns selbst?

Frank Berzbach: Wir nehmen die Dinge zu wichtig, und zu unwichtig. Wir sind täglich Formen ausgesetzt, die uns prägen. Wir müssen sie aktiv gestalten, damit diese Prägung für uns und die Welt heilsam ist. Wir müssen die Medien bewusst wählen, wir müssen die Wirkungen der Kleidung kennen, unsere Beziehungen reflektiert und mitfühlend gestalten. Wir gehen täglich mit Geld um, es ist die Frage, wem wir es geben. Wir finanzieren damit andere. Wir können mit Geld, wenn wir Billigfleisch kaufen, großes Unrecht für Tiere anrichten und uns selbst schaden. Wir können aber auch anders handeln.

Frank Berzbach - Die Kunst ein kreatives Leben zu leben

3 schätze: Deine Bücher „Kreativität aushalten“ und „Die Kunst, ein kreatives Leben zu führen“ sind ja richtige Bestseller geworden und wurden in diverse Sprachen übersetzt. Damit sprichst Du, über die Zielgruppe der Gestalter hinaus, mittlerweile einen grösseren Kreis von Menschen an. Wie setzt sich Dein Publikum zusammen?

Frank Berzbach: Zu den Lesungen kommen inzwischen Menschen aus allen Berufgruppen. Das erste Buch war noch an Designer gerichtet, aber auch das wird von anderen gelesen. Es ist ein Buch über schöpferisches Arbeiten, das kann in jeder Branche stattfinden. Heute mischt sich das: Es gibt die Leute aus Kunst und Design, es gibt spirituell interessierte Menschen, meist christlich oder buddhistisch. Ich diskutiere nach Lesungen mit Friseuren, Goldschmieden, Juristen, Buchhändlern; ich freue mich sehr über diese breite Leserschaft.

3 schätze: Du unterrichtest Psychologie an der ecosign Akademie für Gestaltung und Kulturpädagogik an der Technischen Hochschule Köln. Deine Kurse sind, sagen wir mal „ungewöhnlich“ und immer gut besucht. Was macht die Atmosphäre, den besonderen Reiz Deiner Arbeit mit den Studierenden aus?

Frank Berzbach: Mit den Designern kann man etwas mutiger umgehen. Ich versuche dort zu zeigen, welche Kraft die Formen haben. Wir sitzen auf dem Boden, beginnen die Kurse mit zwei Minuten Meditation, es gibt Tee für alle. Es geht relativ streng zu, aber das hat eine gute Wirkung: die Konzentrationsfähigkeit ist höher, die Gesprächsatmosphäre besser.

3 schätze: In Deinen Büchern geht es immer wieder um „Achtsamkeit“ und einen bewußten Umgang mit den Dingen. In wie weit ist Dir Deine jahrelange Praxis des Zazen (Zen-Meditation) hier eine Unterstützung?

Frank Berzbach von Saskia Wragge

„Lesend im Park“ von Saskia Wragge

Frank Berzbach: Ohne die Praxis des Zazen hätte ich diese drei Bücher nicht schreiben können. Zum einen sind die letzten beiden Bücher vom Zen direkt beeinflusst, von dessen Ästhetik und Ethik, von der buddhistischen Psychologie. Für mich privat wäre der Alltag gar nicht zu schaffen, wenn ich nicht morgens mit 40 Mintuen Zazen beginnen könnte, in denen ich erfahre, wie es mir geht, in denen sich mein Kopf beruhigt, in denen ich die Langeweile aushalte. Ich schreibe über Alltagsthemen, und Zen kennt nur den Alltag. Die gegenwärtigen Handlungen, die einfachen Dinge. Es gibt keine großen Sinnfragen, sondern nur, was als nächstes zu tun ist. Viele der Bücher, die mich inspirieren, habe ich hier im 3 schätze Laden gekauft.

3 schätze: Ein Freund sagte neulich den Satz „Ästhetik und Ethik sind Zwillinge“. Wie würdest Du diese Verbindung beschreiben?

Frank Berzbach: Es gibt Traditionen, die definieren das Gegenteil von Schönheit nicht als das Hässliche, sondern als das Böse. Das Schöne ist dann also das Heilsame. Hier ist keine kühle, bloß oberflächliche Schönheit gemeint, kein Blendwerk. Es ist eine Tiefenästhetik. Und in der ist die Tugend, das ethisch richtige Verhalten, zugleich ein Teil des Schönen. Im europäischen Denken, das relativ verkopft ist, trennt man Ästhetik und Ethik. In meinem neuen Buch übernehme ich den Begriff der ästhetischen Empfingung, es gibt eine Sensibilität für das Schöne – und dieses feinsinnig sein können, ist nicht unabhängig von Werten. Die Werte der Einfachheit in den ästhetischen Vorstellungen
des Zen sind schön und gut zugleich. Wahrscheinlich muss man viel Sitzen, um das auch vom Gefühl her zu erfassen und nicht nur als Argumentation.

3 schätze: Herzlichen Dank für dieses Gespräch. Ich freue mich auf die Lesung am 05.10.2016…

Frank Berzbach Autorenfoto_kleinDr. Frank Berzbach,

geboren 1971, unterrichtet Psychologie an der ecosign Akademie für Gestaltung und Kulturpädagogik an der Technischen Hochschule Köln. Er hat als Wissenschaftler, Journalist, Fahrradkurier, Technischer Zeichner, in der Psychiatrie und als Buchhändler gearbeitet. Seit vielen Jahren ist er Zen-Praktizierender, bleibt aber katholisch. Er arbeitet zu Fragen achtsamkeitsbasierter Psychologie, Arbeitspsychologie, Kreativität, Spiritualität, Mode, Popmusik und Popkultur.

 

 

Entspannung bedeutet, sich aktiv auf etwas anderes einlassen zu können. Es bedeutet nicht, sich zerstreuen zu lassen.“ Frank Berzbach

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