Im Körper sein, heißt im Geist sein

Dieses Interview mit Bill Kwong – Jakusho Kwong-Roshi (B) wird gleichzeitig im Blog des San Bo Dojo veröffentlicht. Bill Kwong Roshi erzählt darin von seiner Begegnung mit der Sensory Awareness Pionierin Charlotte Selver, über den Einfluss, den Sensory Awareness auf seine Zen Praxis hat, und über die letztendliche Einheit von Form und Lebendigkeit.

Stefan Laeng (S) führte das Gespräch im Rahmen des Charlotte Selver Oral History and Book Project anlässlich eines Besuches im Sonoma Mountain Zen Center.

S: Erzähl uns doch etwas zum Hintergrund und wie du Charlotte Selver zum ersten Mal getroffen hast.

B: Das kam durch das San Francisco Zen Center, durch Suzuki Roshi. Die beiden trafen sich und brannten sofort für einander. Ich selbst war eher ein sehr verkrampfter Schüler.

S: Damals warst du also ein Schüler von Suzuki Roshi?

B: Oh, sicher. Und dann habe ich heimlich gedacht, vielleicht sollte ich einen Kurs bei  ihr besuchen und fühlte mich dabei, als hätte ich Suzuki Roshi verraten. So war ich damals. Schließlich sagte ich es Roshi und zu meiner Erleichterung war es für ihn überhaupt kein Problem. Also traf ich sie durch ihn, wer auch immer sie dazu gebracht hat, Suzuki Roshi zu treffen, ich weiß nicht genau, wie das passiert ist.

S: Es kam durch Richard Baker.

B: Oh, Baker Roshi, natürlich. Charlotte und Suzuki Roshi haben zusammen Workshops gemacht, wo sie ihre völlig neue Methode vorgestellt hat. Es war großartig für mich, vor allem, weil ich so angespannt war. Ich konnte mich nicht ausdrücken; ich wollte nicht reden. Als Charlotte kam, brach etwas in mir auf. Weißt du, es war nur Berühren und Spüren, aber es öffnete sich mir eine Tür. Mein Körper war damals so angespannt und deshalb war dieses Sinnesgewahrsein für mich sehr wichtig, um mit der Angst und einer ganzen Reihe von Dingen umzugehen. Ich habe dann einen Workshop von Charlotte in der Stadt besucht, einen sechswöchigen Kurs. Es war grossartig.

S: Weißt du mehr von der Verbindung von Charlotte und Suzuki Roshi?

B: Genau weiß ich es nicht aber ich konnte spüren, dass es eine tiefe Verbindung zwischen den beiden gab, indem wie sie sich ansahen und wie sie miteinander arbeiteten. Es ist irgendwie sehr selten und wunderbar, weil sie aus Europa kam und er aus Asien und es trotz der unterschiedlichen Kulturen, gar kein Problem war. Es war wie ein Körper und ein Geist. Kennst du das Drala Prinzip?

S: Nein, nie gehört…

Da Selbst und Universum nicht getrennt sind, ist es nicht nur das Selbst, das etwas tut, sondern das ganze Universum.

B: Es bezieht sich auf eine Lehre, die Chögyam Trungpa in den letzten zehn Jahren seines Lebens unterwiesen hat. Drala ist die elementare Präsenz der Welt, die uns durch Sinneswahrnehmungen zur Verfügung steht. Es geht um Vertrauen und Energie.

Ich bin sicher, Charlotte wusste das. Sie stand mit ihrem Körper und ihrem Geist in Kontakt und es gab eine Energie, die strahlte. Die Dralas sind die der Welt zugrundeliegende Weisheit und Kraft die, wie alles im Buddhismus, sowohl in dir als auch in der Umgebung sind. Die Heiligkeit der Umgebung; die Heiligkeit dieses einen Körpers. Es ist das Vertrauen in sich selbst und in die Umgebung als eine Einheit. Da Selbst und Universum nicht getrennt sind, ist es nicht nur das Selbst, das etwas tut, sondern das ganze Universum.

Ich finde das sehr interessant und ich bin sicher, dass Charlotte damit arbeitete, denn es ist ein universelles Prinzip. Wenn Charlotte arbeitete, hatte sie diese Energie. Sie war eine Übertragung dieser Energie. Und das ist es, was sie weitergab, ihre Lebenskraft.

S: Erinnerst du dich an dein erstes Treffen mit Charlotte?

B: Ja, ich hatte große Angst. Ich hatte Angst, dass ich einen Fehler machen würde. Ich war sehr verletzlich und natürlich passierten die Fehler sowieso. Gleichzeitig gab es diese Einsichten. Wenn wir z.B. einen Ball von einer Hand in die andere warfen. Wir haben ihn immer gefangen, weil wir einfach so konditioniert sind. Dann sagte Charlotte: „Schließt die Augen“ und wir fingen ihn immer noch. Und dann sagte sie, „jetzt den Ball verfehlen“, und dann ging etwas in mir auf. Es war nicht verbal aber ich erinnere mich daran. Habt ihr das auch gemacht?

S: Ja, aber kann mich nicht erinnern, dass wir mit geschlossenen Augen versuchten. Aber das ist das Wunderbare an unserer Arbeit, dass wir einfach spontan etwas erfinden können, was im Moment passt.

B: Ja, genau. Also, das sind Dinge, an die ich mich erinnere…

S: Warst Du im Zen-Zentrum in der Stadt oder auch in Tassajara?

B: Nein, das war das San Francisco Zen Center. Charlotte kam, nachdem Baker Roshi sie getroffen hatte. Aber das war später. Davor gab es die erste kleine Gruppe, aus drei bis vier Personen. Ich glaube, ich bin der einzige, der noch lebt. Als Charlotte dann kam, waren es vielleicht zwölf. Ich erinnere mich nicht genau, ob es alle Zen-Schüler waren…

S: Hat sie auch hier oben etwas angeboten?

B: Oh ja! Wir hatten hier oben einen Workshop. Ein „Zenefit“ nannte ich ich das. Im Büro sind die Poster. Charlottes Bild und vielleicht auch ihr Mann Charles Brooks sind drauf. Er war ein guter Lehrer. Sie versuchten, uns zu helfen, Geld für den Aufbau zu sammeln.

S: Seit wann bist du hier oben?

B: Puh, ich fange an, Dinge zu vergessen. 1973? Ich weiß nicht genau.

S: Du warst schon früh ein Schüler von Suzuki Roshi?

B: Oh ja, 1960. Wir waren die erste Gruppe.

S: Woher wusstest du von ihm oder wie hast du von ihm gehört?

B: Ich erinnere mich, dass ich mich für Zen interessierte, aber damals konntest Du das Wort „Zen“ noch nicht im Wörterbuch finden und es gab zu dieser Zeit auch kaum Bücher. Aber in einem Artikel einer Zeitung wurde Suzuki Roshi die Frage nach der „Freiheit“ gestellt. Der Interviewer fragte, warum halten Sie einen Vogel in einem Käfig? Suzuki Roshi stand daraufhin auf und öffnete den Käfig und der Vogel flog hinaus. Das hat mich wirklich beeindruckt. Also gingen wir zum Tempel; ich war ein Beatnik – schwarze, schmutzige Kleidung usw. Es gab im Tempel keine Zafus oder Tatamis; es gab Bänke, genau wie in einer Kirche, weil es im Grunde genommen für die japanische Gemeinschaft in San Francisco gedacht war. Dann kam Suzuki Roshi durch eine andere Tür herein. Er sah mich nicht an und ich sah ihn nicht an. Ich hatte also all diese Samurai-Filme gesehen …

S: Und du hast etwas ganz anderes erwartet (beide lachen).

B: Er ging zum Altar und ordnete die Blumen neu, das war alles, was er tat. Ich fand das total spießig und bin gegangen. Ich hatte auch meine Schuhe nicht ausgezogen oder so, ich hatte Stiefel an. Auf dem Heimweg fand ich dann dieses riesige Bild des Kamakura Buddha, das da einfach an der Strasse stand, und nahm es mit nach Hause. Es muss an Buddhas Geburtstag gewesen sein oder so um diese Zeit. Ich nahm es also mit nach Hause und wollte es in einem Schrank wegstecken, aber es passte nicht und so habe ich es im Flur aufgehängt. Wir lebten gleich um die Ecke und ich denke, dass mich das Bild zurück in den Tempel gebracht hat, um mit dem Sitzen zu beginnen.

S: Du bist also zurückgegangen.

B: Ja, ich bin zurückgegangen (lacht). Zum Glück!

Im Körper sein, heisst im Geist sein; und im Geist sein, heisst im Körper sein.

S: Erinnerst du dich, welche Rolle Charlotte im Zen-Zentrum gespielt hat?

B: Ich weiß nicht genau aber mich hat sie in meinen Körper gebracht. Ich konnte den Stress erkennen, der sich in meiner Haltung ausdrückte. Im Zen sind Körper und Geist immer eins – sie sind nicht getrennt. Im Körper sein heisst also im Geist sein; und im Geist sein, heisst im Körper sein. Das war ein großes Geschenk, denn ich denke, in der westlichen Kultur sind sie gespalten – der Körper und der Geist sind zwei verschiedene Dinge. Doch für mich hat Charlotte es wieder zusammengeführt. – So kannst Du wirklich in Zazen einsteigen. Der Körper wird etwas weicher, wenn man spürt, wo man festhält.

S: Ja.

B: Und natürlich war ihre Anwesenheit für mich einfach immer erhellend. Diese Energie. Du wusstest, da war etwas.

S: Und jetzt, nach all diesen Jahren? Beeinflusst dich das noch?

B: Ja. Ich versuche, mich daran zu erinnern, wenn ich meine Hand so (verkrampft) halte und frage mich – warum mache ich das, entspann dich einfach.

S: Für mich ist es so faszinierend, dass die beiden zusammenkamen, weil es bei Zen auf den ersten Blick so sehr um die Form geht. Charlotte hat, in gewisser Weise, all diese Formen und Rituale aufgegeben.

B: Ja, es gibt eine Menge Form und Rituale, aber es ist nicht das, wonach es aussieht, sondern wirklich befreiend. Es ist nicht von Menschen gemacht (lacht), nicht aufgezwungen, wie in der Armee oder beim Militär. Man könnte es so verstehen aber so ist es überhaupt nicht. Suzuki Roshi’s Körper war sehr weich. Er hat lange geübt und nach vielen, vielen Jahren wird der Körper weicher und weicher. Anfangs ist es vielleicht sehr starr. Charlotte half uns, diese Starrheit zu beseitigen und sie zu mildern. Es sieht formal aus aber wenn man wirklich in die Form kommt, geht es darüber hinaus. Man könnte meinen, ihre Arbeit wäre formlos und auf der anderen Seite wäre die Form, doch eigentlich ist es beides gleich.

S: Ja, das glaube ich auch.

B: Im Wesentlichen, ja. Wenn es wirklich Differenzen gäbe, würden sie sich nicht aufeinander beziehen.

S: Das denke ich auch. Trotzdem ist es zuerst überraschend. Wenn man dann tiefer geht, ist es überhaupt nicht verwunderlich. Sie passen wirklich zusammen. Nun, es ist schon erstaunlich, dass Charlotte in Deutschland wahrscheinlich nichts von Zen gehört hätte, wenn sie weiter dort gelebt hätte. Ihre erste Begegnung mit Zen war…

B: Durch Dürckheim?

S: Nein, nein. Zwar kannte sie Graf Dürkheim in Deutschland, aber das war lange bevor er nach Japan ging. Nein, eine Tante in San Francisco schickte ihr ein Buch von Alan Watts und sagte, der schreibt über das, was du tust.

B: Oh, du meinst „Geist des Zen“?

S: Ja, so hörte sie zum ersten Mal von Zen. Sie las dieses Buch und war sehr angetan von ihm. Also ging sie nach San Francisco, um ihn zu treffen und mit ihm zu sprechen.

B: Und was war ihr Eindruck?

S: Sie traf ihn und er hatte diese Kalligraphie im Hintergrund, und – so erzählte sie das immer – sie fragte Alan Watts, was das bedeutet. Alan Watts antwortete, es bedeutet „Berge sind Berge“. Und Charlotte lachte und sagte, natürlich sind Berge Berge. Alan Watts darauf: “Nein. Im Zen sind Berge erst Berge, dann aber muss alles in Stücke zerfallen, bevor Berge wieder zu Bergen werden.“

B: Das hat ihr bestimmt gefallen!

S: Ja, sie wurden sehr enge Freunde und haben viele Jahre lang gemeinsam Workshops durchgeführt. Normalerweise war es dann so, dass er erst einen Vortrag hielt und sie dann eine Session gab.

B: Eigentlich waren sie ziemlich komplementär, weil er sehr im Kopf war.

S: Ja. Und Alan hat ihr in gewisser Weise auch wirklich geholfen. Er war derjenige, der sie von New York nach Kalifornien holte. Zuerst nach Los Angeles und dann auch nach San Francisco.

B: Für eine Rückkehr nach Deutschland war es wohl zu früh und Kalifornien war genau der richtige Ort.

S: Charlotte ist sehr lange nicht nach Deutschland zurückgekehrt, um zu unterrichten, nicht bis in die 80er Jahre. Nun aber wieder zu Dir. Du bist schließlich irgendwann vom Zen-Zentrum fortgegangen.

B: Oh, ja, nachdem Suzuki Roshi 1971 gestorben war, schien es Zeit für mich zu gehen. Ich war zehn Jahre dort gewesen und nun schien es so, als gäbe es keinen Platz mehr für mich im Zen-Zentrum. Es waren sehr schwierige Zeiten und ich beschloss einfach wegzugehen und vielleicht irgendwo anders zu sitzen. Ich hatte keine Ahnung, dass Sonoma Mountain Zen Center entstehen würde.

S: Wie schön. Aber du bist mit Charlotte in Kontakt geblieben, ja? Sie kam später einmal hier hoch zu Euch?

B: Ja, aber zunächst gab es eine Menge Arbeit. Dieses Haus sah vorher nicht so aus wie jetzt. Ich meine (lacht), es könnte sicherlich noch etwas mehr Arbeit brauchen, aber damals konnte es passieren, dass wir einfach nur den Flur entlang gingen und die Füße meiner Kinder durch den Boden brachen. Es gab tatsächlich eine ungeheure Menge Arbeit, um – ohne Geld – das Haus und die Scheune, wo das Zendo jetzt ist, aufzubauen. Es war wie unser Testgelände. Nun, wir hatten schon ein Testgelände, bevor wir überhaupt hierher kamen.

S: Und wo war das?

B: Ein anderer Ort aber wir haben ihn verloren. Weil wir eigentlich hier sein sollten. Das ist der Ort. Zunächst waren wir eine kleine Gruppe und in den 36 Jahren, in denen wir jetzt hier sind, sind wir gewachsen, wir sind wieder geschrumpft und gerade jetzt sind wir wieder in einer Zeit der Expansion.

S: Ich sehe nicht viele jüngere Leute bei den Buddhisten im Westen. Werden wir bald wieder aussterben?

B: Naja, da kommen schon neue nach jetzt bei uns. Aber es kann auch zu gross werden. Wieviel ist genug? Zwölf? Ich weiss nicht. Wichtig ist, dass die Linie fortbesteht, egal ob es sich um eine kleine oder große Gemeinschaft handelt. Ich bevorzuge eher eine kleine Gemeinschaft, weil man sehen kann, was die Leute machen und wie sie sich entwickeln.

S: Ich verstehe, was du meinst. Natürlich kam nach Charlottes Tod, und eigentlich auch schon früher, für uns diese Frage ebenfalls auf. Wie geht es weiter oder was ist es, das weitergeht? Charlotte war Charlotte, und keiner von uns kann Charlotte sein.

B: Ja, das ist gut zu wissen, denn wenn du es versuchst, wirst du scheitern. Ich habe es versucht.

S: Du hast versucht, Suzuki Roshi zu sein?

B: Oder einfach irgendetwas zu sein, ja. Aber für mich war es schwer, weil ich nicht einmal ich selbst war. Ich dachte, ich müsste ein Lehrer werden, bevor ich ich selbst wurde. So hatte ich 36 harte Jahre. Möglicherweise habe ich deshalb Krebs bekommen.

S: Oh, du hattest Krebs?

B: Ja, aber es war ein guter Krebs, das heisst, er hat sich nicht ausgebreitet. Das war 1976; ich hatte wirklich Glück.

S: Hat dir das geholfen, dich selbst zu finden?

B: Ich denke schon. Manche Leute brauchen dafür keinen Krebs aber jeder muss durch seine eigene Evolution, seinen eigenen Prozess.

S: Nun, das trifft sicherlich für mich zu. Ich bin dieser Arbeit und natürlich Charlotte seit vielen, vielen Jahren sehr verbunden. Und ich wollte immer ein Lehrer sein. Solche Fragen kommen bei mir auch auf. Ich mag, was du gesagt hast, erst man selbst zu werden, bevor man ein Lehrer wird.

B: Ich tat es aber eben anders rum und versuchte, makellos zu sein, aber Suzuki Roshi sah trotzdem alle meine Fehler. Also habe ich versucht, mir besonders viel Mühe zu geben. Als wir dann später hierher kamen, waren meine Frau und nicht wirklich die Art von Menschen, die es verstanden hätten, eine Organisation zu leiten. Wir sind eher so Künstlertypen. Ich nahm an, dass die Menschen hierher kamen, weil sie praktizieren wollten, aber sie kamen einfach nur hierher und hingen herum. Wir hatten keinen Zeitplan. Ich saß und ich saß allein. Und das hat mir irgendwie geholfen, gelöster zu werden. Mir fiel es schwer zu sagen: „Das kannst hier nicht einfach herumhängen.” Ich hatte nicht das Selbstvertrauen oder ein Gefühl der Autorität. Ich dachte, die Leute würden einfach von selbst zum Üben inspiriert, so wie ich, als ich hierher gekommen bin. Das war also eine große Lektion für mich.

S: Gestern habe ich mit Ed Brown gesprochen. Interessanterweise erwähnte er einige der gleichen Dinge, dass wir es immer richtig machen wollten.

B: Ja, genau.

S: Und so machen wir dann halt auf Form, wollen sein wie die Zen-Meister aber im Inneren herrscht vielleicht Chaos und alles fällt auseinander. Naja, und wie kann man dann auseinanderfallen ohne in Stücke zu gehen? Ich denke, das ist in gewisser Weise eine andere Art zu sagen, dass man sich wirklich selbst findet. Wenn wir allerdings perfekt sein wollen, ist das wirklich schwer.

B: Ja, aber das ist Teil des Prozesses. Dieser Konflikt bezüglich der Form und im Inneren bist du ein Chaos. Es ist Teil des Prozesses, die beiden zusammenzubringen. Das ist dann kein Glaube mehr, es kommt eher aus dem Bauch heraus.

S: Hast Du noch andere Erinnerungen an Charlotte?

B: Ich erinnere mich nur an ihr Lächeln und ihre Ausstrahlung. Wir hatten nicht sehr viele lange Gespräche. Ich schätze, dass ich damals nicht die Art von Person war, die lange Gespräche mit Menschen führte. Ich habe kaum geredet. So hatten wir eher eine sensorische, fühlende, Beziehung. Genau wie mit Trungpa, da habe ich auch nicht viel gesagt; mit Suzuki Roshi habe ich nicht viel gesagt und trotzdem gab es eine sehr tiefe Verbindung.

S: Du warst auch ein Schüler von Chögyam Trungpa?

B: Ich war kein Schüler von ihm aber als Suzuki Roshi starb – Trungpa traf Roshi nur viermal aber er hatte das Gefühl, seine Lehrer aus Tibet zu treffen. Es ist dasselbe Gefühl, jenseits der Tradition. Ob es nun ein koreanischer Zen-Meister, ein japanischer Zen-Meister oder ein tibetischer Lama, ein Rinpoche ist, es ist das gleiche Gefühl, was wirklich schön ist. Alan Ginsberg hat mich mit Trungpa bekannt gemacht und Trungpa hat dann begonnen, mich an’s Naropa Institute in Boulder, Colorado, einzuladen. Es war eine Ehre, da zu lehren, aber auch eine grosse Herausforderung. Man wusste nie, was er als nächstes sagen oder tun würde.

S: Beeinflusst er deine Arbeit hier?

B: Ja, ich denke schon, wir haben hier eine Stupa für ihn und es gibt z.B. jedes Jahr ein Drala-Program. Wir kamen uns schon sehr nahe – es waren unsere Brüder und Schwestern. Wir konnten diese Erfahrung machen, weil wir außerhalb des Zen-Zentrums waren und so die Möglichkeit hatten, viele verschiedene Menschen aus verschiedenen Traditionen kennenzulernen. Es ging nicht nur darum, sie zu lesen und dann ihre Methode zu übernehmen, sondern es ging darum, sie persönlich zu treffen und zu erfahren, dass es keine Grenzen gibt. Das war wirklich inspirierend.

S: Es ist schön zu sehen, wie sich diese verschiedenen Traditionen begegnen.

B: Ja.

S: Sehr schön. Ich denke, das reicht für heute. Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast.

B: Es war mir eine Ehre. Wenn Suzuki Roshi etwas nettes über jemanden sagen wollte, dann sagte er gerne: „Es ist mehr, als ich sagen kann und es ist mehr, als du hören kannst.” Ich mag das sehr. Das ist für Charlotte.

Bill Kwong – Jakusho Kwong-Roshi (B) – ist Gründer und Abt des Sonoma Mountain Zen Centers in Santa Rosa, Kalifornien. Er war ab 1959 einer der ersten Schüler von Shunryu Suzuki in San Francisco, wo er Mitte der 60er-Jahre auch die Sensory Awareness Lehrerin Charlotte Selver kennenlernte. Nach Suzuki’s Tod verliess Bill Kwong das aufblühende San Francisco Zen Center, um in seinem Geburtsort ein eigenes Zentrum aufzubauen, das er noch heute zusammen mit seinem Sohn Nyoze Demian Kwong leitet.

Mehr über Bill Kwong und Sonoma Mountain Zen Center erfahrt Ihr hier

Stefan Laeng praktiziert Sensory Awareness und verwandte Arbeiten seit 1980. Er studierte mit LehrerInnen in der Schweiz und den USA. Mit Charlotte Selver arbeitete er von 1991 bis zu ihrem Tod 2003 intensiv zusammen, als Schüler wie auch in gemeinsamen Kursen. Er erhielt von ihr 1996 die Lehrberechtigung. Buddhistische Meditation und Philosophie bilden seit den frühen 80er Jahren eine Grundlage seiner Arbeit und seines Lebens. Er ist Executive Manager der Sensory Awareness Foundation und bietet sowohl Einzel- als auch Gruppenunterricht und Workshops an. Er arbeitet zur Zeit an einem Oral History und Buchprojekt über Leben und Wirken von Charlotte Selver. Stefan lebt in Hancock, New Hampshire, USA.

Weitere Infos: www.mindfulnessinmotion.net

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