Anläßlich eines Meditationsworkshops „Stille in Bewegung – Die Qualitäten der Meditation entdecken“ habe ich mit Julian Welzel ein kleines Interview geführt. Viel Spass beim Lesen…
Patrick: Hallo Julian, ich freue mich, dass Du jetzt hier bei mir sitzt und wir ein kleines Gespräch für den Blog festhalten können.
Am 04.03.2018 wirst Du wieder einen Meditationsworkshop bei 3 schätze geben und das Witzige ist, dass Du ja hier im San Bo Dojo vor einigen Jahren mit der Sitzmeditation begonnen hast, ich erinnere mich noch gut. Was hat Dich damals zur Meditation gebracht?
Julian: Das ist wirklich wunderbar, dass ich nun bereits den zweiten Meditationsworkshop an diesem Ort gebe, wo damals alles angefangen hat. Wenn Du mir vor 8 Jahren gesagt hättest, dass ich heute mit Massage und Meditation arbeiten würde…das hätte ich Dir niemals geglaubt. (lacht)
Ich war damals nämlich in der Wissenschaft unterwegs, sehr verkopft und rational. Ich habe dann angefangen über den Buddhismus zu lesen – natürlich rein philosophisch. Das hat mich aber dahin geführt 2010 eine Veranstaltung des buddhistischen Mönches Thich Nhat Hanh in Köln zu besuchen und das war eine beeindruckende Erfahrung. Ich weiß noch, dass ich vollkommen gestresst, mit Bauchschmerzen und verspätet zu diesem Talk gehetzt bin. Da saßen bestimmt 2000 Leute und ich fand noch einen Platz in der letzten Reihe. Worüber Thay gesprochen hat, weiß ich gar nicht mehr, allerdings entspannte sich mein Körper in so massiver, tiefer und schneller Art und Weise und die inneren Empfindungen waren so wahnsinnig schön und neu, dass es meinem Verstand unheimlich wurde. Der konnte sich auf diese Phänomene keinen Reim machen… ein Mann sitzt 80 Meter entfernt, spricht und dann passiert sowas… ich war ganz schön durcheinander. Aber ich habe gewusst: Wow, das will ich auch lernen! Und habe am nächsten Tag angefangen nach Meditationszentren in Bonn zu suchen und dann im San Bo Dojo eine sehr nette Sangha gefunden. Dann bin ich erst wöchentlich, dann manchmal auch öfter zur Sitzmeditation gekommen und das Ganze ist ins Rollen gekommen.
Patrick: Wie ist es denn weiter gerollt?
Julian: Tja, zunächst gab es den Punkt, an dem ich entscheiden musste, ob ich mit der eingeschlagenen wissenschaftlichen Karriere weiter mache. Allerdings war ich zu dem Zeitpunkt mit dem Herzen schon gar nicht mehr richtig dabei und mir war klar: Mit der Meditation geht es weiter! Ich bin dann in das Kloster Plumvillage von Thich Nhat Hanh gereist mit dem Gedanken dort für 5 Jahre Mönch zu werden. Ich habe am Winter-Retreat teilgenommen, eine alte buddhistische Tradition, bei der sich alle Mönche und Nonnen im Winter bzw. in der Regenzeit um Ihren Meister scharen um seinen Worten zu lauschen. Das war eine ganz tolle Erfahrung und Thich Nhat Hanh ein sehr weiser Lehrer. 3 Monate in solch einer geballten Energie der Achtsamkeit der Mönche und Nonnen zu verbringen war herzöffnend und sehr heilsam. Zugleich habe ich gemerkt, dass ich vielleicht doch nicht Mönch werden muss um Meditation zu vertiefen. Ich hatte das große Bedürfnis noch mehr auszuprobieren, mich umzuschauen und zugleich gab es da auch einige sehr starke Widersprüche im Lebensstil Mönch, mit dem was sich für mich meditativ und gut anfühlte.
Patrick: Na, und das sagst Du einem ordinierten Zen-Mönch! (lacht). Wie ging die Reise denn dann weiter und was hast Du dann alles ausprobiert?
Julian: Ich bin dann zunächst für 6 Monate nach Indien und dort von Meditationszentrum zu Meditationszentrum, von Ashram zu Ashram gereist. Die einzige Regel, die ich mir auferlegt hatte war: Du bleibst überall mindestens 5 Tage und danach entscheidest Du ob Du bleibst oder weiterziehst. So bin ich an Orten, wo ich das Gefühl hatte, dass etwas in Bewegung kam lange geblieben und an anderen, wo ich keine so tiefe Wahrheit gespürt habe, schneller wieder abgereist. Auf diese Weise habe ich viele spirituelle Schulen und Lehrer kennengelernt, von denen es in Indien ja eine große Bandbreite gibt. Egal ob die Anwendungen der ayurvedischen Tradition, die Übungen der Yogis, die Praxis von Hinduisten, Jainisten und Buddhisten. Und dann noch viele andere Gurus und spirituelle Lehrer wie z.B. Osho… diese Reise hat mich dann sogar von Indien noch weiter bis nach China und Thailand geführt mit Einblicken in den Daoismus und den Buddhismus. Später noch nach Südamerika mit der Verlockung schamanischer Weisheiten. Eigentlich hat mich damals alles interessiert, was irgendwie spirituell war oder mit Meditation zu tun hatte und ich bin dieser Neugierde gefolgt.
Patrick: Ich wollte gerade fragen: Welche Rolle hat bei all diesen Reisen die Meditation gespielt? Deine Reisen hören sich spannend aber auch ein bisschen aufreibend an…
Julian: Ja, da hast Du Recht. Es war eine sehr intensive Zeit mit tollen inneren und äußeren Erfahrungen aber auch ein bisschen rastlos und von außen betrachtet konfus. Das lässt sich allerdings rückblickend leicht sagen, denn mittendrin war es vielleicht erstmal nötig, sich ganz unbedarft und naiv umzugucken, zu experementieren. Wie ein Kind die Welt entdeckt, habe ich damals die Welt der Meditation und Spiritualität durchforstet und viele, viele Meditationstechniken ausprobiert. Hüpfen, schreien, lachen, Mantren chanten, Arbeitsmeditation, meditative Körperübungen und Therapien und vieles, vieles mehr… Es war sehr bunt.
Dieser Weg hat mich schließlich zur Körperarbeit – man könnte auch sagen: Achtsamer Berührung oder Meditativen Massagen – geführt. Ich habe in diesem Bereich, nach wundervollen Erfahrungen als Empfänger, eine Art Berufung gefunden und arbeite heute als selbstständiger Massagetherapeut im Rheinland. Und zweitens hat mich dieser Weg mit vielen Kurven und Kanten in Bezug auf die Meditation zu Shikha Dhyan in Indien geführt, dessen Klarheit, Tiefe und Egolosigkeit wirklich unglaublich sind. 5 Monate vor und mit einem solch klaren Spiegel zu verbringen, haben Vieles verändert, geklärt und geheilt. Spätestens seit dem weiß ich: Meditation ist der Weg nach Innen und kann sehr tief gehen.
Patrick: Nicht zuletzt macht dieser Erfahrungsschatz es möglich, dass Du Interessierte nun in die Qualitäten unterschiedlicher Meditationen einführen kannst. Warum ist also das Experementieren mit Meditation sinnvoll?
Julian: Auf diese Frage gibt es eine simplere und eine etwas umfassendere Antwort. Ganz pragmatisch kann man sagen: Wir Menschen sind unterschiedlich, es gibt viele verschiedene Persönlichkeiten. Beispielsweise ist der eine ein ruhigerer Typ, der andere hibbelliger und aktiver. Es ist unwahrscheinlich, dass der Weg nach Innen für beide an derselben Stelle beginnt. Jeder von uns startet von einem anderen Punkt aus und auch der Weg ist ein anderer. Deshalb ist es wichtig auszuprobieren, was in Dir Schwingung erzeugt, was etwas löst oder Dich eine meditative Qualität erfahren lässt. Und genau da geht es dann für Dich weiter.
Patrick: Und was gibt es dem nun noch hinzuzufügen?
Julian: Wenn man genauer hinschaut, ist Meditation der Pfad vom Festen, Derben, Schweren und Dunklen zum Feinstofflichen, Subtilen, Leichten und zum Licht. Mein Meister in Indien sagte immer: „Das Subtile wartet darauf, dass Du es reinlässt.“ Die Meditation kümmert sich um all unsere Wunden, Sorgen, Leiden, Verirrungen und Verwirrungen. Das Problem ist, dass wir das in der Regel nicht zulassen, wir blockieren, sind starr und abwehrend. Und selbst wenn wir es wollen und uns in Meditation üben, bedienen wir uns leider zumeist der Mechanismen, die wir zum begreifen, erfassen und kontrollieren der Außenwelt so erfolgreich verwenden. Das heißt konkret wir nehmen den Verstand mit in die Meditation: Ziele, Erwartungen, Wettbewerb, Konzentration, Fokussieren, Objektivität und viel Ego-Ich und Persönlichkeit – so wird und bleibt es eine Meditation des Verstandes. Mein Meister in Indien verglich diesen Zugriff auf Meditation immer scherzhaft mit dem Training des Kleinkindes, das lernt in welchen Topf es scheißen darf und wohin nicht. Ganz ähnlich versuchen wir Meditation zu „erlernen“ und verhindern sie genau damit.
Der Weg führt anstattdessen über das Fühlen und Spüren dahin, wo nicht mehr der Verstand in der Kontrolle ist, wo keine Persönlichkeit mehr existiert. Weil wir uns in Meditation relativ schnell bewusst werden, dass de facto in 99% der Zeit der Verstand in der Kontrolle ist, geht es zunächst darum den Spalt des verbleibenden 1% zu finden, um das Subtile wenigstens kurz am großen Verteidungswall vorbei hinein zu lassen. Nur so bekommen wir einen Geschmack vom Wunder der Meditation, erfahren eine meditative Qualität.
Das geschieht zum Beispiel, wenn man den Verstand verwirrt. Und der Verstand ist häufig dann verwirrt, wenn man experimentiert, etwas Unvorhersagbares und Neues tut. Meditation lässt sich nicht planen oder erzwingen – sie geschieht sehr oft in Momenten, wo man sie gar nicht erwartet, eben weil sie das Gegenteil von Erwartung ist. Deshalb ist das Wichtigste: Etwas Neues auszuprobieren. Oder etwas Bekanntes so zu tun, als habe man es noch nie gemacht.
Patrick: Im Zen nennen wir dies „mushotoku„, also mit einem Geist zu praktizieren, der nach nichts strebt, der keine Erwartung hat. Wenn Du von meditativen Qualitäten sprichst, die dann erfahrbar sind, was ist damit gemeint?
Julian: Gemeint sind damit verschiedene Facetten und Empfindungen, die wir in Meditation erleben können. Schlagworte wären sowas wie Loslassen, Offenheit oder Klarheit. Aber ich will gar nicht viel darüber sprechen, denn dann macht der Verstand das zum Ziel und die Leute kommen zur Sitzung oder zum Workshop und sagen: Das und das will ich erfahren! Und dann wird es garantiert nicht geschehen. Oder man verharrt im Drüber-Reden, dabei geht es doch ums Fühlen und Spüren, ums Erfahren. Es geht um die Pause zwischen den Worten, nicht um die Worte selbst. Deshalb: Nicht lange nachdenken und abwägen, einfach ausprobieren!
Patrick: Na, das ist doch ein schönes Schlusswort. Danke für das Gespräch!
Julian: Ich danke Dir!
Infos zum Workshop „Stille in Bewegung – Die Qualitäten der Meditation entdecken“ findest Du hier…
Infos zu Julian Welzel: www.julianwelzel.de