Achtsamkeit und Yoga – Ein Gespräch mit Brigitte Mailänder

Und plötzlich weißt du:
Es ist Zeit, etwas Neues zu beginnen,
und dem Zauber des Anfangs zu vertrauen.
Meister Eckhart

dscn9826Brigitte Mailänder ist Achtsamkeitslehrerin MBSR, Yogalehrerin (YA) und Systemischer Coach. Im Herbst hat sie ihre neuen Räume für Achtsamkeit & Yoga in der Bonner Südstadt geöffnet.

Nach ihrem Rückzug aus dem Studio 52, welches Brigitte Mailänder viele Jahre mitgestaltet und geleitet hat, haben ihre MBSR-Achtsamkeitskurse und Yogakurse nun ein neues Zuhause gefunden.

Am Samstag, 03. Dezember 2016 ist die offizielle Eröffnung. Eine gute Gelegenheit für ein Gespräch…

3 schätze: Liebe Brigitte, erstmal möchte ich Dich ganz herzlich zu Deinem wunderschönen neuen Achtsamkeits- und Yogastudio beglückwünschen. – Ein Besuch auf Deiner neuen Webseite macht klar, bei Dir steht das Thema Achtsamkeit im Mittelpunkt. Magst Du erst einmal kurz etwas über Dein Angebot erzählen?

Brigitte Mailänder: Danke für Deine guten Wünsche, Patrick. Ein Quäntchen Glück gehört ja immer auch dazu, wenn man etwas Neues beginnt….

Ja, in meinen Räumen für Achtsamkeit und Yoga steht die Achtsamkeitspraxis im absoluten Mittelpunkt.

Zum Einen biete ich die MBSR-Achtsamkeitskurse in regelmäßigen Abständen und an unterschiedlichen Wochentagen in meinen Räumen an. Dieses Training ist für Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen ebenso geeignet wie für Menschen, die spüren, dass sie an ihrer Lebenseinstellung etwas ändern möchten oder müssen, wenn sie gesund werden bzw. bleiben und zufrieden sein wollen.

In meinen Yogakursen möchte ich Menschen dazu ermuntern, den Leistungsgedanken hinter sich zu lassen und ihre gewohnheitsmäßige Haltung von, ich nenne es mal „Schneller-Höher-Weiter“ aufzugeben, zugunsten einer freundlichen Haltung sich selbst und ihrem Körper gegenüber. Ich erinnere meine Teilnehmerinnen und Teilnehmer immer wieder daran, mit Sanftheit und Freundlichkeit dem eigenen Körper gegenüber zu praktizieren und die eigenen Grenzen wahrzunehmen und zuzulassen.
Dazu bedarf es einer wachen Präsenz und einem tiefen Mitgefühl sich selbst gegenüber. Das ist es, was die Achtsamkeit lehrt und was mir wichtig ist. Und viele Menschen scheinen tief erleichtert, wenn ich sie mit diesem Ansatz bekannt mache.

Ich biete verschiedene Yogastunden an. In einigen wird neben der Asana-Praxis auch der Meditationspraxis ein großer Stellenwert eingeräumt.
Es gibt sehr sanfte Kurse, in denen auch Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen ohne weiteres Yoga praktizieren können und die die Körperwahrnehmung schulen.
Und es gibt Kurse, die etwas fordernder sind und in denen wir in die Kraft gehen. Hier liegt die Herausforderung darin die eigenen Grenzen herauszufinden und diese freundlich anzunehmen.

Ich arbeite sehr gern mit Schwangeren und finde es überaus reizvoll, ihnen neben dem Yoga auch die Aspekte der Achtsamkeitslehre zu vermitteln. Es gibt ein MBSR-Programm von Nancy Bardacke, einer Pionierin auf dem Gebiet der Achtsamkeit für Schwangere, das ich in meine Yogastunden für Schwangere mit einfließen lasse. Außerdem praktiziere ich Yoga mit Seniorinnen. Yoga bietet auch den älteren Menschen wunderbare Möglichkeiten, den eigenen Körper auf positive Weise zu erfahren und zu entdecken. Darüber hinaus wird ihre Beweglichkeit verbessert bzw. erhalten. Wir lachen viel in diesen Stunden. Die Teilnehmerinnen sind so dankbar und offen!

So sieht mein Programm derzeit aus und ich freue mich, dass alle Kurse angelaufen sind!

„Eine Oase der Stille mitten in der Stadt“

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3 schätze: In den letzten Jahren gibt es immer mehr wissenschaftliche Studien zum Thema Achtsamkeit (Mindfulness) und auch die Medien berichten immer öfter über Meditation und ihre Vorteile. Dieser Trend scheint in gewissen Weise auch abzubilden, dass sich unsere Leistungsgesellschaft in einer tiefen Krise befindet und die Menschen dem täglichen Stress nicht mehr gewachsen sind. Es scheint einen großen Wunsch nach Werten und Sinn zu geben, der durch die Suche im Außen nicht befriedigt wird. Umso schöner, dass es inzwischen viele unterschiedliche Angebote gibt, Menschen zu unterstützen, ihr „Licht nach innen zu wenden“…

Brigitte Mailänder: Viele sprechen in diesem Zusammenhang von einem Trend. Ich glaube nicht, dass wir es hier mit einer Mode zu tun haben, sondern sehe in dem wachsenden Wunsch nach Ruhe und Sinnhaftigkeit eher eine logische und gesunde Konsequenz, um den veränderten Anforderungen des Alltags noch gerecht werden zu können und den Kontakt zu sich selbst nicht vollständig zu verlieren. Denn das ist es doch, was mehr und mehr Menschen spüren. Geschuldet ist das Ganze ja der revolutionären Veränderung unseres Lebens durch die Möglichkeiten der Technik. Es gibt keine natürlichen Pausen mehr in unserem Leben, keine Regenerationsphasen. Tempo und Druck sind inzwischen derart hoch, dass wir selbst mehr oder weniger auf der Strecke bleiben. Es klingt verrückt, aber je mehr Zeit wir sparen durch die moderne Technik, desto gehetzter werden wir. Deshalb glaube ich nicht an eine Mode, sondern an eine Entwicklung, die anhalten wird.
Aber wenn dies dazu führt, unser Leben mit seinem rasanten Tempo in Frage zu stellen und sich bewusst Pausen zu verschaffen – und das tun ja immer mehr Menschen! – dann ist das eine wunderbare Chance!

Was mir insbesondere am MBSR so ungemein gut gefällt ist, dass wir damit Menschen, die ohne Religion und ohne eine spirituelle Haltung leben und die nie eine Kirche oder ein buddhistisches Zentrum betreten würden, erreichen können. Mit MBSR können wir ihnen eine weltanschaulich neutrale Möglichkeit bieten, ihr „Licht nach innen zu wenden“, wie Du es so passend formulierst.

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3 schätze: MBSR (Mindful Based Stress Reduction) von Jon Kabat-Zinn ist heute einem immer größer werdenden Kreis von Menschen ein Begriff. Ich tausche mich immer wieder gerne mit MBSR-Trainer/innen über ihre Erfahrungen aus, denn ich halte MBSR wirklich für ein grossartiges Format, Menschen an einen bewußteren Umgang mit sich selbst und der Welt in der wir leben heranzuführen. Gleichzeitig vermisse ich in diesem Rahmen die Möglichkeit, nach Ablauf eines 8-wöchigen MBSR-Kurses, mit einer Gruppe dauerhaft zu praktizieren und das Erlernte zu vertiefen. Im buddhistischen Kontext sprechen wir von der Sangha (Gemeinschaft) als einem der Drei Schätze auf dem Weg. Wie sind Deine Erfahrungen und welche weiterführenden Angebote gibt es für Menschen, die über die säkulare Form des MBSR zu Meditation und Achtsamkeit kommen?

Brigitte Mailänder: Ja, Du hast Recht, Patrick! Die letzte Stunde meines 8-Wochenkurses eröffne ich augenzwinkernd mit einem Zitat von Churchill: „Dies ist nicht das Ende. Es ist nicht einmal der Anfang vom Ende. Aber es ist, vielleicht, das Ende des Anfangs“.

Denn in der Tat geht es jetzt erst richtig los und die Herausforderung besteht darin, das Erlernte in den Alltag zu integrieren.
Und der Großteil der Teilnehmenden ist jetzt motiviert, weiter zu machen. Ich finde es enorm wichtig, hier auf viele unterschiedliche Möglichkeiten aufmerksam zu machen, damit jede und jeder seinen begonnen Weg fortsetzen kann.

In meinem Kurs Achtsamkeitsyoga schaffe ich eine Verbindung zwischen dem körperorientierten Yoga und der Achtsamkeitslehre, so, wie sie in den MBSR-Kursen vermittelt wird. Hier finden sich in erster Linie die Menschen wieder, die einen MBSR-Kurs absolviert haben und die nun „dran bleiben“ wollen.
Ich werde aber auch immer wieder gefragt, ob es nicht einen Fortsetzungskurs geben kann im Format der MBSR-Treffen. Im kommenden Jahr wird es deshalb erstmalig einen Jahreskurs geben, zu dem MBSR-Absolventen kommen können. Wir werden uns 1x monatlich für 2,5 Stunden treffen, um gemeinsam zu meditieren und Übungen, so wie MBSR sie lehrt, zu praktizieren. Und darüber hinaus werden wir uns weiterhin mit Themen auseinander setzen, die unser Innenleben ein wenig beleuchten.

Es gibt aber auch Menschen, die nach einem MBSR-Kurs den Weg in ein buddhistisches Zentrum finden. Ich nenne in der letzten Sitzung immer auch die Adressen der buddhistischen Zentren hier in Bonn, natürlich auch die 3 schätze und das San Bo Dojo.
Und es scheint, dass ein Teil der MBSRler und MBSRlerinnen dann offen und motiviert sind, dort vorbei zu schauen und in einem buddhistischen oder auch christlichen Kontext ihre Praxis fortzuführen.

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3 schätze: In manchen Trendmagazinen scheint mir ein gewisser „Wohlfühlfaktor“ in Bezug auf Meditation und Yoga propagiert zu werden. Die Bandbreite des Interesses geht von „einfach mal entspannen“ wollen bis hin zum Wunsch nach Selbstoptimierung, um im Job etc. noch besser funktionieren zu können…

Brigitte Mailänder: Ja, und dieses Bedürfnis wird auch in meinen Kursen immer wieder mal zum Ausdruck gebracht. Ich finde grundsätzlich, dass dieser Wunsch seine Berechtigung hat und in meinen Yogastunden ist es mir ein Anliegen auf diesen Wunsch einzugehen: nach der aktiven Yogapraxis gibt es immer eine Schlusssequenz zum Entspannen. Einer meiner Kurse heißt ja sogar Wohlfühlyoga. Allerdings bekommen dort die Teilnehmenden zu spüren, wie wohltuend die Entspannung nach einer gewissen Anstrengung sein kann 😉

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Bei MBSR ist das etwas ganz anderes! Ich betone in meinen Informationsgesprächen immer, dass das MBSR-Training nicht zu verwechseln ist mit einem Wohlfühl-Kurs, sondern dass wir es mit einem Training zu tun haben, das ernsthaft und konsequent betrieben werden sollte, damit es Früchte tragen kann. Es gibt hin und wieder Teilnehmende, die das gern mal im Laufe der acht Wochen schleifen lassen und die ich dann freundlich aber bestimmt daran erinnere… bisher konnte ich sie immer wieder motivieren und ich hoffe, das bleibt auch so!

Schwierig finde ich auch, wenn Firmen ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zum Kurs einladen mit dem Hintergedanken, dadurch ein stressresistentes Team zu bekommen. Mir ist das bisher noch nicht begegnet, aber ich weiß von einer Kollegin, die aus diesem Grund einen firmeninternen Kurs geben sollte.
Sicher gibt es Menschen, die aus Gründen der Selbstoptimierung einen MBSR-Kurs belegen. Aber wer das Training ernst nimmt, wird lernen, sich selbst und die Bedürfnisse des Körpers so ernst zu nehmen, dass er eine Haltung hin zum liebevollen und nicht mehr überfordernden Umgang mit sich und seinem Körper früher oder später verändert, da bin ich sicher.

3 schätze: Meditation als geschenkte Zeit zu betrachten und nicht als etwas, das uns einen Nutzen bringen muss, etwas, mit dem wir erfolgreich sein müssen, scheint manchmal schwierig zu vermitteln zu sein…

Brigitte Mailänder: Oh ja! Das widerspricht einfach der Haltung, mit der die meisten von uns unterwegs sind. Wir sind es nicht gewohnt, etwas ohne Absicht zu tun und wir glauben, Erfolg hängt von unserem Handeln ab. Die Teilnehmenden der Kurse sind an dieser Stelle immer wieder irritiert. Es ist schwierig für sie umzusetzen, dass sie absichtslos praktizieren und mehr vom Tun- in den Seins-Modus wechseln, wo ihnen doch gleichzeitig in Aussicht gestellt wird, dass sich durch das Training etwas verbessert: ihr Stressempfinden, ihre Schmerzen oder womit auch immer sie in den Kurs gekommen sind. Dieses Paradoxon auszuhalten erfordert viel Geduld und viel Vertrauen. Ich erlebe aber, dass die Kursteilnehmer und -teilnehmerinnen sich auf das Experiment einlassen, immer und immer wieder auf`s Neue – mit den dazu gehörenden Schwierigkeiten und Widerständen.
Und ich freue mich, sie dabei begleiten zu dürfen…

3 schätze: Herzlichen Dank für dieses Interview und viel Glück und Erfolg mit Deiner Arbeit 😀

 

Die Kultivierung der Achtsamkeit in unserem Leben kann uns helfen, immer öfter ganz im Moment zu sein, jeden Augenblick unseres Lebens bewusst und klar zu erleben„.

Infos zum Angebot und Kursen:

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BRIGITTE MAILÄNDER
Achtsamkeit & Yoga

Kaiserstr. 237
53113 Bonn

Telefon 0228  97479570
Mobil    0178  5216546

www.mbsr-bonn-koeln.de