„Sich nicht vergiften – Es gibt nichts, über das man sich täuschen kann. Wenn wir dies verstehen, verwirklichen wir das Erwachen„
Dr. med. Malte Thormählen ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und MBCT-Lehrer in Bonn. Mit ihm habe ich in einem Interview über „schlechte“ Gewohnheiten und Möglichkeiten zur Veränderung mittels Achtsamkeit gesprochen.
3 schätze: Lieber Malte, in Deiner Praxis für Psychotherapie begleitest Du Menschen in schwierigen Zeiten, mit den vielfältigen Möglichkeiten der Psychotherapie, Psychiatrie, Medizin und Achtsamkeitskursen. Nun bietest Du mit Eat Right Now® ein Achtsamkeitstraining für ein gesundes Verhältnis zum Essen und mit Craving to Quit ® ein 21 Tage Programm an, das einen einfachen Weg bietet, um aus dem Rauchen langfristig und nachhaltig auszusteigen. Sie bestehen jeweils aus einer App und einer fortlaufenden Anwesenheitsgruppe und arbeiten nach dem umgekehrten Klassenraum Modell. Warum sind Gewohnheiten so gefährlich?
Malte Thormählen: Übergewicht und Rauchen sind zusammen an mehr als zwei Drittel der Zivilisationskrankheiten in der Westlichen Welt schuld. Deshalb hatte der TED Talk „A simple Way to change a bad habit“ des Neurowissenschaftlers Professor Judson Brewer tätig am weltweit bekannten Center for Mindfulness an der UMASS von Jon Kabat Zinn wahrscheinlich mehr als 6.000.000 Aufrufe in 2016 und war damit der 4. häufigst aufgerufene Beitrag.
3 schätze: Worum geht es Dir bei Deiner Arbeit?
Malte Thormählen: Da Achtsamkeit mir persönlich nutzt und ich auch die Teilnehmer aus meinen MBCT Kursen häufig über gute Erfahrungen mit Achtsamkeit bei Depressionen und Ängsten berichten, habe ich nach Möglichkeiten gesucht welche Anwendungsmöglichkeiten es noch im Medizinischen Bereich gibt.
3 schätze: Und dabei bist Du auf Judson Brewer gestoßen?
Malte Thormählen: Nach einem Hinweis eines befreundet Psychotherapeuten und Yogalehrers aus meinem Intervisionszirkel Psychotherapie auf das Mindfulness Summit habe ich einen Videointerview mit dem Abhängkeitspsychiater Judson Brewer gesehen
und war sofort Feuer und Flamme. Nach einem kurzen Emailwechsel habe ich angefangen die Videovorträge und Übungen aus der Craving to Quit App zu übersetzten, um eine deutsche Version der Raucherentwöhnungs App vorzubereiten.
3 schätze: Er hat viel mit Gewohnheiten zu tun?
Malte Thormählen: Ja genau. Judson Brewer geht davon aus, das unserer evolutionär angelegtes Belohnungssystem – es ist schon bei Algen mit nur 20.000 Neuronen angelegt – uns bei unseren Bemühungen unsere Gewohnheiten zu ändern im Weg steht. In
seiner einfachsten Form besteht es aus Auslöser, Verhalten, Belohnung. Du findest bei deiner Nahrungsmittelsuche in der Prärie rote Beeren und stellst beim Essen fest „Ah die schmecken gut“ (Belohnung) und merkst Dir deshalb wo Du Sie finden kannst. In prähistorischen Zeiten hat uns das das Überleben gesichert, ähnlich wie die Angst.
Übertragen auf die heutige Zeit in einer recht sicheren Umgebung mit Nahrungsüberfluss besteht dieses Belohnungssystem weiterhin. Es gibt hierzu viele bekannte psychologische Modell, wie etwa das operante Konditionieren von Skinner. Das ist erstmal gut zu wissen.
Ungünstigerweise wird unser Einfluß auf dieses Belohnungssystem durch verschiedene Substanzen, wie Nikotin, Kokain buchstäblich übernommen. Zucker hat im übrigen bei Mäusen in Versuchen eine stärkere Anziehungskraft als Kokain. Jedesmal wenn wir eine
Zigarette rauchen wenn wir gestresst sind und uns danach erstmal besser fühlen verstärkt dies „Gewohnheitsschleife“ sich. Das hineintappen in das Dopaminsystem und die Verhaltenswiederholgen – das ist tödlich.
3 schätze: Und da kann Achtsamkeit helfen?
Malte Thormählen: Ja in der Tat, es gibt nämlich Hinweise, dass der Stirnlappen des Gehirn, in dem die Gedanken abgelegt sind, die unser Verhalten steuern sollen, in Stresssituation schneller aussetzt. Das ist natürlich fatal, wenn man davon ausgeht, das bisherige Therapieformen wie die Verhaltenstherapie genau dort ansetzten. Dagegen kann Achtsamkeit wahrscheinlich gezielt die Mechanismen, die zur Abhängigkeit führen, angehen.
3 schätze: Wie genau muss ich mir das praktisch vorstellen?
Malte Thormählen: In dem Achtsamkeit dabei hilft zu erkennen, dass das Verlangen auf das Suchtmittel (Zigaretten, Essen) letztlich aus Gedanken, Körperempfindungen und Gefühlszuständen besteht. Durch die Moment zu Moment Erfahrung des Entstehen und
Vergehens einer Welle des Verlangens, kann ich erkennen, es geht vorbei anstatt, der häufig verbreiteten Vorstellung, es hält für immer an.
3 schätze: Was für ein Weg wird dadurch beschritten?
Malte Thormählen: Durch die Aufmerksamkeitslenkung auf etwa das Rauchen einer Zigaretten wird ein Teilnehmer damit zitiert: „Bah, es schmeckt nach stinkendem Käse und Chemie!“ Durch die unmittelbare Erfahrung entsteht eine Entkopplung von Verlangen
und Verhalten. Wir können uns von unseren schlechten Gewohnheiten befreien.
3 schätze: Das ist alles?
Malte Thormählen: Ja, durch die Entkopplung und die Fähigkeit bei sich zu bleiben entsteht vermutlich die kraftvolle Möglichkeit zur Veränderung.
3 schätze: Was ist das umgekehrte Klassenraummodell?
Malte Thormählen: Professor Brewer verwendet die moderne Wissensvermittlung aus dem Hochschulbereich. Das hat sich, nach seiner Aussage – entgegen seiner ursprünglichen Vermutungen – als die beste Option dargestellt, um den Nutzern des Programms, das beste Ergebnis zu ermöglichen. Dabei dienen die mundgerechten Häppchen der wenige Minuten langen Lehrvideos und Übungen einer App, die Möglichkeit, zu Hause dann zu lernen, wenn man Zeit hat und nicht zu einer festgesetzten Kurszeit.
Umgekehrt können die Teilnehmer Ihre „Hausaufgaben“ das heißt Ihre Schwierigkeiten, Herausforderungen und Erfolge der Woche in der unterstützenden Atmosphäre des Klassenzimmers an den wöchentlichen Kurstagen unter Anleitung eines erfahren Kursleiters besprechen. Dadurch können die Veränderungen, da stattfindenden, wo die schlechten Gewohnheiten auftauchen – im Alltag der Menschen und nicht in einem künstlich geschaffenen Rahmen. Zudem können die Teilnehmer den wissenschaftlich nachgewiesenen Vorteil des besseren Lernens in der Gruppe gewinnen.
3 schätze: Wie lange sollte ich mir für das Programm Zeit nehmen?
Malte Thormählen: Professor Brewer hat in seinen Gruppen festgestellt, dass, wenn man zu früh zu viel erreichen will, man nicht am besten in dem Programm abschneidet. Er empfiehlt etwa für das Eat Right Now Programm eine etwa 3-monatige Teilnahme, um
das Verhältnis zum Essen zu transformieren. Die 4-wöchige Studie auf der das Raucherentwöhnungsprogramm Craving to Quit basiert, hat doppelt so gut abgeschnitten wie die Standardtherapie der Amerikanischen Lungengesellschaft.
3 schätze: Wo kann ich einen Kurs mitmachen?
Malte Thormählen: In den Kurs kann laufend in der Praxis für Psychotherapie und Achtsamkeit, Rochusstrasse 137, 53123 Bonn immer Donnerstags von 17:00 bis 18:00 eingestiegen werden. Voraussetzung ist der Besitz eines Smartphones und die Verwendung der entsprechenden App. Die Kurse finden in einer gemischten Gruppe statt, da, die zugrundeliegenden Mechanismen die gleichen sind. Die Kosten belaufen sich für den Kurs mit 4 Terminen auf ca. 80,00 € plus die Kosten der App, ab ca. 25,00 € pro Monat. Die App ist derzeit noch auf einfach verständlichem Englisch, für die meisten Lehrvideos und Übungen gibt es aber deutsche Text- und Audiodateien, die kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Der Kurs ist natürlich auf Deutsch.
Anmeldung unter www.therapiedrt.de. Für Eat Right Now gibt es eine 4-tägige Testversion gratis!
Ein Interview mit Dr. Malte Thormählen und Angelika Redling „Achtsamkeit vs. Depression: MBSR / MBCT“ findest Du hier…
Dr. Malte Thormählen
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie
MBCT-Lehrer, Bonn