Yesche U. Regel leitet, gemeinsam mit seiner Frau Angelika Wild-Regel, das PARAMITA BONN und die Praxis für Achtsamkeit, Meditation und Stressbewältigung in Bonn-Poppelsdorf, welches in diesem Jahr 12 Jahre alt geworden ist. Zeit für ein Interview…
3 schätze: Lieber Yesche, endlich kommen wir mal dazu, unser lange geplantes Interview zu führen. Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, wo wir anfangen sollen, denn es gibt für mich so viele interessante Dinge zu besprechen. Wollen wir eher über die Vergangenheit sprechen? Immerhin wandelst Du schon seit gut 40 Jahren auf buddhistischen Pfaden und hast so einiges für die Entwicklung des Buddhismus in Deutschland getan. So hast Du ja z.B. schon 1978 begonnen, Meditationsgruppen und Seminarhäuser zu organisieren, zuerst in Berlin und Köln, dann ab 1981 das Kamalashila Institut auf Schloss Wachendorf und ab 1985 das Retreat-Zentrum in Windeck-Halscheid. Spannend ist also auch Deine Zeit von 1980 – 1997, in der Du als buddhistischer Mönch der tibetischen Karma-Kagyü-Tradition ordiniert warst und eine klösterliche Drei-Jahres-Klausur absolviert hast. Doch Deine ausführliche Vita findet sich auf der Webseite des PARAMITA BONN, so dass wir uns vielleicht einfach mit dem Hier und Jetzt beschäftigen. Wie sieht aktuell Dein Alltag als buddhistischer Lehrer aus?
Yesche: Ja, es stimmt. Auf meiner Website www.paramita-projekt.de steht einiges und die www.yesche.de wird wieder einmal neu aufgebaut und Du hast einige Eckdaten meines Lebens gerade aufgezählt. Wenn Du nach der Gegenwart fragst, so denke ich an den Zeitraum von 2005 bis heute. Das ist die Zeit seitdem wir das Paramita und die Praxis für Stressbewältigung in Bonn-Poppelsdorf betreiben. Es ist mein Lebensabschnitt der letzten 12 Jahre, in dem die Dinge für eine recht lange Zeit in meinem Leben recht ähnlich geblieben sind:
Meine Frau Angelika und ich leben hauptsächlich in der Nähe des Kamalashila Instituts in der Eifel und kommen fast jede Woche nach Bonn, um hier Abendkurse zu geben. Zudem reise ich sehr viel durch Deutschland. Ich glaube, ich gebe etwa 40 Wochenendkurse und Retreats pro Jahr. Die Eifel ist unser Refugium, aber auch dort geben wir zahlreiche Seminare im Kamalashila Institut (www.kamalashila.de) und haben einen Fachbereich „Achtsamkeit, (Selbst-) Mitgefühl und ihre Wurzeln im Buddhismus“ sowie eine Reihe zu „Sterben und Sterbebegleitung aus buddhistischer Sicht“ (mit Miriam Pokora, einer Hospizleiterein aus Berlin) aufgebaut.
So verläuft mein Leben also sehr abwechslungsreich. Ich weiß aber nicht, ob es noch lange in dieser Intensität weitergegen kann. Ich würde mich gerne auf das Wesentliche beschränken und auch etwas weniger reisen und mehr in Ruhe leben. Doch zugleich erscheint es mir sehr wichtig zu sein, Methoden zur Förderung von Achtsamkeit und Mitgefühls weiter zu vermitteln. Es gibt für mich eigentlich nichts Schöneres als gemeinsam mit anderen Menschen Methoden des Geistestrainings zu üben.
„Den Buddhismus von Grund auf verstehen – Eine heilsame Meditationspraxis entwickeln“
3 schätze: Ich würde gerne ein wenig über das PARAMITA BONN erfahren. Wie ist es organisiert? Wer praktiziert dort? Betrachtest Du das Projekt als Sangha und in einer bestimmten Tradition und/oder als offenes Meditationszentrum? Welche Aktivitäten und Angebote bietet Ihr im PARAMITA BONN an?
Yesche: Das Paramita ist im vor allem ein Donnerstag Abend-Programm. Es beginnt zumeist mit einer Tibetischen Puja, einem Ritual auf einen Buddha-Aspekt, um 17:00 Uhr, gefolgt von der Offenen Meditationsstunde um 18.00 Uhr und einem buddhistischen Studien- und Meditationsabend von 19.30 – 21.00 Uhr. Hinzu kommen gelegentliche Wochenendkurse oder Übungstage und auch Kurse mit eingeladenen GastlehrerInnen, z.B. einigen Tibetischen Lamas, die wir gut kennen und schätzen. Aber wir mögen auch Kurse und Gastvorträge von westlichen LehrerInnen.
Alles in allem sind die Termine mit Gastlehrern jedoch bisweilen eher selten, denn meine Frau und ich möchten auch gerne anwesend sein, wenn Gastlehrer da sind, und da wir auch anderswo unterrichten bleibt oft gar nicht so viel Zeit andere Lehrende einzuladen. Das zeigt auch, dass wir wirklich eher ein kleiner Privatbetrieb sind. Wir haben zwar viele Freunde, die sich mit uns sehr verbunden fühlen, sind aber nicht wie ein Verein organisiert und tun uns auch etwa schwer damit zu delegieren. Es gibt aber eine Reihe Freunde aus unserem engeren Kreis, die bei uns Meditationen anleiten. Vielleicht wird sich auch das in Zukunft erweitern. Wir sprechen von Sangha, haben aber keine festen Mitglieder und niemand muss sich zum Paramita bekennen. Das hat Vor- und Nachteile.
Parallel zu den Aktivitäten des Paramita gibt meine Frau ja seit 15 Jahren MBSR-Kurse in Bonn und es läuft seit 2016 eine MBSR-Grundausbildung „Achtsamkeit leben – Achtsamkeit lehren“ der Arbor-Seminare in unserem Raum.
3 schätze: Dein Angebot geht ja noch darüber hinaus. So bietest Du bundesweit Seminare und auch individuelle Lebensbegleitung an.
Yesche: Ja, wie gesagt, ich reise viel durchs Land, zuletzt auch ins europäische Ausland. Am liebsten mache ich mehrtätige Gruppen-Retreats in gut geführten Seminar- und Retreathäusern, die an schönen Orten in der Natur oder auch in einer anderen Großstadt liegen, so etwas tue ich schon seit 25 Jahren. Vor allem mit Freiburg im Breisgau verbindet mich viel und ich habe dort in den 90ern 4 Jahre gelebt. Dort unterrichte ich jetzt noch an mehreren Plätzen jährlich.
Lebens- und Meditationsbegleitung biete ich auf Stundenbasis hier in unserem Raum in Bonn an, allerdings am liebsten für jene, die auch zu den Abendkursen kommen und dann Fragen zur Meditationspraxis haben.
3 schätze: Du hast Dich schon früh mit buddhistischer Philosophie und Meditationen beschäftigt, warst fast 17 Jahre lang ordinierter Mönch und bist seit 25 Jahren als Lehrer in buddhistischen Zentren im ganzen deutschen Sprachraum unterwegs. Dabei hast Du einen traditions-übergreifenden, lebensnahen Unterrichtsstil im Rahmen von Meditation und Buddhismus entwickelt, der auf Methoden des Mahayana-Geistestrainings, Achtsamkeits- und Mitgefühls-Meditationen sowie buddhistische Meditationen im Angesicht von Sterben und Tod spezialisiert ist.
Yesche: Ich war Mönch in einer tibetisch-buddhistischen Richtung und bin mit dieser immer noch verbunden, aber nicht wirklich als ihr Vertreter, außer vielleicht im Kamalashila Institut selbst, in dem ich meine traditionellen Wurzeln und mein geistiges Zuhause habe. Dort werde ich auch immer noch – und dies seit dem Ende einer Drei-Jahres-Klausur im Jahr 1990 – „Lama Yesche“ genannt.
Ansonsten möchte ich Menschen nicht durch Kurse und Meditationsanleitungen an eine buddhistische Richtung heranführen oder sogar binden. Ich glaube nicht mehr daran, dass das für viele sinnvoll ist bzw. dass es meine Aufgabe ist das zu tun, schon gar nicht als öffentliches Angebot in einer Großstadt. Die Menschen haben hier sehr unterschiedliche Hintergründe, innere Verbindungen und Interessen und ich mag es, wenn sich Menschen zu gemeinsamen Meditationen versammeln und eine gemeinsame Sprache für ihre Erfahrungen, oder alleine schon für ihre Fragen entwickeln können. Religionen müssen versuchen den Menschen zu helfen und nicht darauf aus sein, Menschen an sich binden und der Buddhismus hat so viele Facetten, dass er auf viele Weise hilfreich sein kann.
3 schätze: Auch mit Hilfe von MBSR (Mindfulness Based Stress Reduction) finden immer mehr Menschen im Westen einen Zugang zu Meditation und Achtsamkeitspraxis. Dabei hat Jon Kabat-Zinn äußerlich erst einmal einen großen Teil der formalen, buddhistischen Praxis von der MBSR Praxis losgelöst und ein 8-Wochen Programm entwickelt, welches für viele Menschen ein leichterer Einstieg sein kann. Verändert sich der Buddhismus auf seinem Weg in die westlichen Gesellschaften? Wie siehst Du das Verhältnis von Tradition und Moderne?
Yesche: Ich denke es ist andersherum. Kabat-Zinn hat ein Programm basierend auf den Anleitungen der buddhistischen Praxis und den Erfahrungen damit, vor allem der Sitz-Meditation, aufgebaut und es dann etwas aus dem buddhistischen Kontext heraus gelöst. Das war gut motiviert und es ist für viele sehr hilfreich.
Die asiatischen buddhistischen Traditionen, die seit Jahrzehnten in aller Welt wirken, haben es zumeist versäumt Programme zu entwickeln, mit denen westliche Menschen für sie heilsame und gesunde Fortschritte machen können. In den Traditionen basiert vieles auf dem Glauben, dass man alles nur ganz traditionsgetreu ausführen müsste, dann würde es die besten Resultate hervorbringen, aber das muss nicht wahr sein. Jon Kabat-Zinn hat mit MBSR ein sehr schönes, essentielles Meditationsprogramm entwickelt und die Menschen, die Stress oder ein Krankheitsthema haben, sind auf natürliche Weise motiviert etwas zu finden, das ihnen hilft. Das ist sehr begrüßenswert.
Ich fände es erfreulich, wenn mehr und mehr solche Programme entwickelt würden, die aber Hand und Fuß haben müssen. Im Tibetischen Buddhismus erschienen auch über die Jahrhunderte immer wieder neue Anleitungen und Programme zu Meditationsübungen, regelrechte didaktische Kompositionen für unterschiedliche Menschen und ihre inneren Veranlagungen. Jetzt benötigt man geeignete Lehr- und Übungs-Formen für Menschen dieser Zeit. Ich denke, wenn diese auf den buddhistischen Prinzipen von Ethik, Meditation und Weisheit aufgebaut werden, dann können sie sehr hilfreich sein.
3 schätze: Seit Jahren bist Du immer wieder auch für die DBU, die Deutsche Buddhistische Union tätig und schreibst neben der „Buddhismus aktuell“ auch eine Reihe von Artikeln in verschiedenen buddhistischen Zeitschriften. Ein Ziel der DBU ist es, den Buddhismus in Deutschland als Religionsgemeinschaft anerkennen zu lassen. Was könnten die Vorteile einer solchen Anerkennung als Religionsgemeinschaft sein?
Yesche: Der Buddhismus führt in Deutschland immer noch ein Nischendasein. Es gibt sicherlich viel mehr Sympathisanten mit den buddhistischen Lehren und Methoden als es Mitglieder in buddhistischen Gruppen gibt. Eine Anerkennung eines großen buddhistischen Dachverbands als Körperschaft des öffentlichen Rechts könnte helfen, dass Buddhist zu sein eine noch größere gesellschaftliche Bedeutung bekäme. Die Stimme von buddhistischen Lehrenden, Denkern, Praktizierenden, von am Buddhismus interessierten Wissenschaftlern und Künstlern könnte mehr Gewicht bekommen. Buddhistische Philosophie könnte an Schulen unterrichtet werden und auch die Öffentlich Rechtlichen würden mehr über den Buddhismus bringen. Man könnte als Buddhist standesgemäß sterben und die Friedhöfe hätten entsprechende Grabstätten dafür. Meine Frau und ich haben im letzten Jahr die buddhistische Abteilung auf dem Wiener Zentralfriedhof besucht, was sehr interessant war. In Österreich ist der Buddhismus staatlich anerkannt.
3 schätze: Im Sommer 2016 ist Dein erstes Buch: „Tonglen-Praxis – Meditationen zur Entwicklung von Mitgefühl“ (mit Meditations-CD) im Verlag Nymphenburger, erschienen. Magst Du zu dieser Form der Achtsamkeits- und Mitgefühls-Meditationen etwas erzählen?
Yesche: Tonglen, die Mitgefühls-Meditation aus dem Lodjong-Geistestraining des Tibetischen Buddhismus kenne ich jetzt fast 40 Jahre und unterrichte sie seit 25 Jahren. In dem Buch habe ich versucht diese Übungsweise so zu beschreiben, wie ich dies in den letzten Jahren in vielen Kursen und Retreats entwickelt habe. U.a. habe ich 3 Achtsamkeits- und Mitgefühls-Projekte in Kliniken begleitet, in denen ich zusammen mit einem Team der Universität Freiburg jeweils 10 Tage (d.h. einmal pro Woche) entsprechende Anleitungen in Pausen während der Arbeitsschichten angeboten habe. Dazu mussten die Meditationsanleitungen so vereinfacht und auf ihre Essenz gebracht werden, dass sie auch an ein Klinikpersonal vermittelbar wurden.
Das Buch wendet sich aber auch an praktizierende Buddhisten, die sich mit den ganz traditionellen Anleitungen etwas schwer tun. Gerade im Tibetischen Buddhismus kann es passieren, dass man vor lauter Ritualen nicht mehr spüren kann, worum es eigentlich geht. An diesem Dilemma habe ich versucht zu arbeiten und Tonglen so zu vermitteln, dass es wirklich hilft Mitgefühl für sich selbst und andere zu kultivieren.
3 schätze: Was sind Deine Pläne für die Zukunft?
Yesche: Gerade jetzt habe ich noch keine neuen Pläne, aber das könnte kommen. Es könnte noch eine Weile so weitergehen wie zuletzt oder es könnte sich etwas ändern. Ich würde gerne die Dinge tun, die ich als die wichtigsten erachte.
Aber vielleicht habe ich, haben wir, als Gesellschaft auch bald keine Freiheit mehr, ungehindert und kreativ eigene Pläne zu verwirklichen. Ich habe das Gefühl, dass sich in unserer Welt und unseren Gesellschaften gerade etwas deutlich ändert und dass es zu etwas Großem werden könnte, das uns dazu zwingen wird, unseren Lebensstil zu verändern. Ich will keine Angst verbreiten – und auch keine neurotischen Ängste haben – und mag auch selbst nicht an Worst-Case-Szenarien glauben, aber ich halte es für möglich, dass wir von größeren kriegerischen Aktionen erschüttert werden, auch hier in Europa. Es gibt jetzt so viele extreme Staatenlenker, neue Feindschaften, Kräfte, die etwas zersetzen und zerstören wollen und natürlich jede Menge Waffen, auch nukleare. Eine hedonistische Gesellschaft wie die unsere kreiert zudem – aus buddhistischer Sicht – jede Menge schlechtes Karma.
So gibt es zwar viel Intelligenz, technische Hilfsmittel und auch eine neue Sensibilität in unserer Zeit, aber im großen und ganzen hat sich die Menschheit gerade dazu entschieden, wider besseren Wissens negativ und zerstörerisch zu handeln. Nach dem buddhistischen Karma-Verständnis wiegen bewusst ausgeführte negative Handlungen mehr als solche, die aus Unwissenheit begangen werden. Und deshalb erscheint es mir möglich, dass wir die Folgen von unheilsamen Absichten und Handlungen auch erfahren werden. Wenn einige durchdrehen reißt es viele mit, das war in der Weltgeschichte immer so und man kann nicht erkennen, dass es nicht mehr so geschehen könnte. Deshalb ist es so wichtig gegen diesen vermeintlichen Trend zu steuern und die gesunden und heilsamen Kräfte in sich selbst und der Welt zu nähren und zu stärken. Die Praxis von universellem Mitgefühl und heilsamer Ethik, ganz im Sinn des Dalai Lama, sind jetzt wichtiger denn je und ich möchte mich dafür auch nach bestem Vermögen einsetzen, dass diese kommuniziert und gelebt werden können.
3 schätze: 1977, mit gerade mal 20 Jahren, hast Du den Buddhismus für Dich entdeckt und die Dreifach Zuflucht beim 16. Gyalwang Karmapa genommen. In diesem August wirst Du nun 60. Damals hast Du sicherlich anders über die Aspekte „Alter, Krankheit und Tod“ des Lebens nachgedacht, denen wir ja auch im Buddhismus immer wieder begegnen. Magst Du noch ein paar Worte hierzu verlieren?
Yesche: Tatsächlich war es das Tibetische Totenbuch, das mich vor 40 Jahren zum Buddhismus gebracht hat. Ich bekam es unter besonderen Umständen zu lesen, in der Zeit als ich kurz nach dem Abitur (in Köln) in einer kleinen WG in Westberlin landete. Wenig später begegnete ich bereits tibetischen Lamas, die genau das lehrten, was in dem Buch stand und eigenartiger Weise war ich schon etwas vorbereitet. Natürlich war damals das Thema „Tod und Sterben“ eher ein philosophisches und es schien die Brücke zu Meditationserfahrungen zu sein.
Nun im tatsächlichen Älterwerden ist es ein sehr konkretes und mit stärkeren Emotionen verbundenes Thema. Ich weiß, dass ich die meiste Zeit meines Lebens gelebt habe und der Körper wird wirklich alt. Die Eltern und fast alle Verwandten sind bereits gestorben und auch viele Freunde sind krank oder bereits verstorben. Gerade jetzt um die 60 herum sterben etliche mir bekannte Menschen. Es kann jetzt also jederzeit wirklich passieren. Auch habe ich bereits bei einigen Menschen am Sterbebett gesessen und sie als buddhistischer Geistlicher zu Grabe getragen oder Zeremonien ausgeführt. Ich vermute, die Anlässe werden sich von nun an häufen und dann komme auch ich irgendwann an die Reihe. Wenn alles in einer chronologischen Reihenfolge geschieht ist es der natürliche Verlauf und wir müssen uns diesem stellen und uns davon über die Natur von Leben und Tod belehren lassen. Aus buddhistischer Sicht sind plötzliche Tode und kollektive Gewalterfahrungen schlimmer, weil das Bewusstsein der Sterbende nicht begreifen kann, was geschieht.
Ich mag den Slogan der Hospizbewegung, die sagt. „Leben ist immer Leben bis zum letzten Atemzug.“ Und als Meditierende dürfen wir die Atemzüge – und damit auch das Leben – ja bekanntlich genießen.
Ein weiterer Aspekt zu Deiner Frage, der mir einfällt, ist, dass erst im Laufe des Älterwerdens deutlich wird, dass vor dem Sterben ja noch das Alter kommt, zumindest eine Phase der Erkrankung, außer im Fall von gewaltsamem oder plötzlichem Tod. Als ich vor 40 Jahren die buddhistischen Lehren über Tod und Sterben, über den Bardo (den Zwischenzustand nach dem physischen Tod) und die Sichtweise der Wiedergeburt kennen lernte, hatte ich noch keine Idee von der Länge der Lebensspanne und davon wie es sich anfühlt, einerseits immer mehr zu lernen und zu reifen und dabei physisch in diesem Körper zu altern. Das kann ein Vorgang sein, der bei einer durchschnittlichen Lebensdauer von etwa 80 Jahren einige Jahrzehnte das Leben bestimmt und in dem noch sehr viel innere Entwicklung und Vertiefung der Erfahrung geschehen kann.
Wenn ich mir etwas zum 60. Geburtstag wünschen könnte, was nicht wirklich der Fall ist – denn es kann immer alles ganz anderes kommen – dann, dass ich die vielen wunderbaren Lehren und Erfahrungen, die besonderen Begegnungen mit großartigen Menschen, die wirklich günstigen Lebensumstände, die ich so lange genießen durfte, die viele Liebe und Freundschaft, die mir in diesem Leben entgegengebracht wurde, auch die Kränkungen, Enttäuschungen und Verluste, noch eine ganze Weile so nutzen und interpretieren kann, dass es mir möglich ist eine innere Reife zu entwickeln, die es mir ermöglicht etwas immer noch Tiefgründigeres, Sinnvolleres und Heilsameres mit anderen teilen zu können.
Blumen dürfen wirklich blühen und duften bevor sie welken.
3 schätze: Vielen Dank, lieber Yesche, für dieses Gespräch und alles Gute für ein weiteres Lebensjahrzehnt.
Infos:
PARAMITA BONN
Yesche U. Regel
Clemens-August-Str. 17
D-53115 Bonn-Poppelsdorf
Tel. 0228-969 1357 1