Filmprojekt: Blueprints for Zen-Practice – Ein Gespräch mit Thorsten Heisan Schäffer

Thorsten Heisan Schäffer ist Zen-Mönch in der Tradition von Zen-Meister Roland Yuno Rech. Mit ihm führte er ein erstes Interview, welches der Beginn des Filmprojekts Blueprints for Zen-Practice sein sollte. 9 Fragen nach Erleuchtung, Ego, Leiden, Zen im Alltag usw. liefern die Grundlage für dieses Projekts. Nach einer Vielzahl von Interviews ist der Film nun (fast) fertig. Zeit für ein Gespräch…

3 schätze: Hallo Thorsten, schön, dass wir dieses Interview machen können. Erzähl uns doch zu Beginn kurz etwas zu Deiner Person.

Heisan: Da gibt´s nicht viel zu erzählen. Ich bin Zen-Mönch in der Tradition des Soto, verheiratet und Vater von zwei wunderbaren Kindern, Buch-Autor und praktiziere seit knapp 20 Jahren Zazen in der Linie von Roland Yuno Rech. Schon seit Kinderbeinen an faszinierte mich die Frage nach dem Sinn des Lebens, dem Sinn der Existenz. Diese Fragen brachten mich bereits mit 12 Jahren mit Zen in Kontakt.

3 schätze: Blueprints for Zen-Practice, das sind Gespräche mit Roland Rech, Olivier Wang-Genh, Muho, Alexander Poraj, Doris Zölls, Dirk Künne, Harry Teske, Nakagawa, Jion Blondstein, Anna Wassermeyer, Doko Waskönig und Christoph Hatlapa. Wann hattest Du die Idee zu diesem Filmprojekt und wann hast Du mit den Interviews begonnen?

Heisan: Die Idee schlummerte wohl schon etwas länger im Unterbewusstsein und basierte auf einem Film, den ich vor vielen Jahren gesehen hatte. Darin besuchte ein Mann verschiedene weise Männer und Frauen in Indien und stellte ähnliche Fragen wie ich in den Interviews.

Irgendwann war die Idee für dieses Filmprojekt dann völlig klar und ich „sah“ den Film bereits im Geiste. Einige Zeit später brachte ich zum Sesshin dann einfach die Kamera mit, erzählte meinem Lehrer von der Idee und er fragte mich, wann ich denn das Interview machen wolle. Ich antwortete ihm „Am liebsten sofort.“ Er war etwas überrascht, willigte aber ein am nächsten Tag das Interview durchzuführen. So fing alles an.

3 schätze: Der Film trägt den Untertitel „Einzigartige Dialoge mit europäischen Zen-Meistern über die Praxis des Zen“. Wie hast Du die verschiedenen Lehrer und Lehrerinnen gefunden, die im Film zu sehen sind.

Heisan: Mit einigen Lehrern war ich schon vorher im Kontakt. Die meisten habe ich aber über deren Webseiten ausfindig gemacht und habe ihnen einfach eine E-Mail geschrieben. Um ehrlich zu sein war ich etwas überrascht über die weitestgehend schnelle und positive Resonanz.

Da es mir wichtig war, nicht nur das Interview durchzuführen, sondern die Unterweisung in Form der Praxis jedes einzelnen Lehrers direkt zu erfahren, besuchte ich die Sesshins der Lehrer. Meist blieb ich ein bis zwei Nächte und so hatten wir Zeit für die Interviews.

Es war spannend und bereichernd, die Art der Unterweisung der unterschiedlichen Lehrer kennen zu lernen. Auch die Praxis der verschiedenen Traditionen wie Rinzai oder Soto, deren Ähnlichkeit und Unterschiede, waren für mich überaus interessant. So konnte ich die Erfahrung der Koan-Arbeit machen, die deutlich schnellere Rezitation der Rinzai-Schule, aber auch die unterschiedlichen Schwerpunkte der verschiedenen Soto-Lehrer kennenlernen.

3 schätze: Waren alle angefragten Lehrer*innen dem Projekt gegenüber aufgeschlossen oder hast Du auch Absagen bekommen?

Heisan: Es gab Lehrer, die sofort, ohne mich oder die Interviewfragen zu kennen, spontan zusagten ohne irgendwelche Rückfragen zu stellen. Viele wollten die Interviewfragen bewusst nicht einmal vor dem Termin erhalten, da sie frisch und ohne Vorbereitung aus dem Augenblick heraus die Fragen beantworten wollten. Das hat mich durchaus beeindruckt. Dann gab es Lehrer, die ohne irgendwelche Rückfragen zu stellen, mir ausrichten ließen, dass sie kein Interesse an diesem Filmprojekt hätten.

Aber es gab auch Sonderfälle, die mir zunächst dutzende Fragen zurück sendeten, mit der Bitte, diese zunächst zu beantworten. Nachdem ich bis zu 12 Fragen beantwortet hatte, zum Beispiel welche anderen Lehrer noch im Film vorkommen, wie der Film heißen soll, wie er veröffentlich wird und welche Fragen ich stellen würde, erhielt ich dann eine Absage.

Insgesamt schrieb ich etwa 18 Lehrer an. Interviews habe ich dann aber nur mit 12 Lehrern geführt und das hat dann auch gereicht. Ich habe es mir weniger anstrengend vorgestellt, die einzelnen Lehrer in Frankreich und ganz Deutschland zu besuchen, als es schlussendlich war. Meine Frau war übrigens auch erleichtert, als ich soweit alle Interviews im Kasten hatte und wieder mehr Zeit zu Hause verbrachte [Lachen].

Einen Lehrer, und das bedaure ich zutiefst, habe ich nicht mehr besucht, da die Zeit und Energie aufgebraucht war. Es handelt sich um Marcel Geisser, der in der Schweiz im Haus Tao praktiziert und den ich durch seine Bücher und unseren E-Mail Kontakt sehr schätze. Aber die Energie war einfach vorbei und so habe ich ihn nicht mehr besucht und persönlich kennenlernen können.

9 Fragen 9 Antworten

Die folgenden 9 Fragen wurden allen Zen-Meistern gestellt:

1. Wer bist du?
2. Was ist Erleuchtung? Was ist Erwachen?
3. Benötigt dieses Erwachen irgendwelche Voraussetzungen?
4. Was ist Zazen und wie praktiziert man es?
5. Wie können wir als Mensch das Leiden überwinden?
6. Was bedeutet „Das Ego zu überwinden“?
7. Was bedeutet Hingabe im Zen-Buddhismus?
8. Wie praktiziert man Zen im Alltag?
9. Was ist dein wichtiger aber kurzer Hinweis für Praktizierende?

3 schätze: Du hast jedem Lehrer, jeder Lehrerin dieselben neun Fragen gestellt. Waren dies auch Deine Fragen, die sich Dir im Laufe Deiner Praxis gestellt haben?

Heisan: Ja und nein, ich denke dass jeder Schüler sich mit den Fragen nach Erleuchtung und Erwachen, nach der Überwindung des Leidens und der Funktionsweise des Egos beschäftigt. Aber ehrlicherweise stammen die Fragen aus dem besagten Film, der mich zu „Blueprints for Zen-Practice“ inspiriert hat. Ich habe die Fragen etwas auf die Zen-Praxis angepasst und jeder Lehrer erhielt die selben neun Fragen.

3 schätze: Du sagtest vorhin, dass die Entstehung der Interviews immer auch mit einer gewissen Zeit der Praxis in den verschiedenen Zen-Sanghas zusammen hing. Was waren für Dich die gravierensten Unterschiede und gab es etwas, was Du überall wiedergefunden hast?

Heisan: Interessant war für mich vor allem, dass ich mich nicht wie sonst einfach ins Sesshin hineinfallen lassen konnte. Die Abläufe waren etwas unterschiedlich und ich fühlte mich bei manchen Sesshin, vor allem in der Rinzai-Tradition, wie ein blutiger Anfänger.

Das war eine wunderbare Erfahrung. Alle angelernten Abläufe, Routinen und Rituale der letzten 20 Jahre mussten losgelassen werden. Diese Erfahrung war sehr bereichernd.

Im Rinzai-Tempel zum Beispiel gab es das Holz, die große Glocke und das Metall, aber sie wurden auf eine andere Art und Weise genutzt. Das sitzen mit dem Gesicht in den Raum, die Koan-Praxis, die Handhaltung und das Tee-Ritual vor dem Zazen war auch so ein Beispiel.

Aber schlussendlich gab es auch viele Gemeinsamkeiten. Allen gemeinsam war zum Beispiel die Offenheit und Herzlichkeit, die mir entgegen gebracht wurde und die vermutlich typisch für das Zen im Allgemeinen ist. Ein paar der Lehrer waren offener, andere etwas verschlossen und wollten gerne ihren Lehrer-Status demonstrieren. Aber schlussendlich waren es immer interessante Begegnungen und Erfahrungen.

3 schätze: Gibt es hierzu eine Anekdote, eine besondere oder außergewöhnliche Situation über die Du berichten kannst?

Heisan: Die Art der Rezitation im Rinzai-Zen hat mich stark beeindruckt. Die Zeremonie hat zweimal täglich mit sechs oder sieben verschiedenen Texten und mehrfachen Wiederholungen über 45 Minuten stattgefunden. Dabei hat das Tempo mit jeder Wiederholung zugenommen, was eine starke Konzentration und Energie erzeugte, ähnlich der Kito-Zeremonie im Soto. Ich habe das Hakuin Sutra, das Hakuin Zenji Zazen Wasan, das es so im Soto nicht gibt, auf Grund seines Rhythmus und seiner Energie, aber auch auf Grund seiner Aussagen sehr zu schätzen gelernt.

3 schätze: Die Antworten Deiner Interviewpartner*innen sind teilweise recht unterschiedlich. Am Ende des Trailers sagst Du, sie entstammen der selben Essenz. Wie würdest Du die Essenz des Zen beschreiben?

Heisan: Wenn ich sage, dass alle Antworten aus der selben Essenz stammen, meine ich damit nicht die Essenz des Zen. Damit pressen wir die Wirklichkeit doch wieder nur in ein Konzept. Es ist die Essenz des Lebens, das von Augenblick zu Augenblick geschieht. Man kann diese Essenz nicht auf ein Wort wie Zen reduzieren, noch könnte ich sie dir mit Worten beschreiben.

3 schätze: Du bist, zumindest in unserer Zen-Linie, einer der wenigen, die stark auch mit modernen Medien arbeiten. So hast Du über Deinen YouTube-Kanal schon viele Videos und Anleitungen zur Zen-Praxis verbreitet. Gleichzeitig leitest Du auch eine Zen-Gruppe und bietest Zen-Tage und Sesshins an. Magst Du dazu etwas erzählen?

Heisan: Auweia, ja der YouTube-Kanal [Lachen]. Nach meiner Mönchsordination 2018 war da eine unglaubliche Energie die mich getragen und geleitet hat. Da ich auf einem kleinen Dorf wohne und nicht die Einwohnerzahl habe, um ein Dojo oder eine größere Gruppe aufzubauen, entstanden neue Wege, die Praxis an andere Menschen weiterzugeben oder zugänglich zu machen.

Anfang 2019 fiel die Entscheidung, dieses Jahr vollständig dem Zen-Weg zu widmen und ich hatte mich dazu weitestgehend aus beruflichen Aktivitäten zurückgezogen. Es war ein spirituelles Jahr oder Sabbatical wie man es heute nennt. Das Filmprojekt „Blueprints for Zen-Practice“ war ein Bestandteil davon. Die Videos in meinem YouTube-Kanal als auch die Sesshins und Zen-Tage, bei denen die Videos entstanden sind, war ein weiterer Punkt.

Außerdem kursieren nach wie vor so viele verrückte Ideen über Zen und die Praxis des Zazen, wie zum Beispiel, dass man seine Gedanken zum Stillstand bringen oder Schmerzen während Zazen aushalten müsste, um irgendwelche Bewusstseinserfahrungen zu machen. Auf Sesshins habe ich immer wieder Teilnehmer erlebt, die Schmerzmittel eingenommen haben, um die Schmerzen in den Knien zu unterdrücken und durchzuhalten. Diese Punkte waren wohl der erste Impuls mit den Videos zu starten.

Gerade in der heutigen Zeit kann ein spiritueller Weg wie der des Zen, der auf einer jahrtausende alten Tradition beruht, Menschen helfen sich mit sich selbst und ihrem Leben auseinander zu setzen. Zen kann den Menschen in Krisenzeiten Hoffnung schenken und die Akzeptanz fördern, die Dinge für den Augenblick so sein lassen zu können, wie sie nun einmal sind.

Was nicht heißt, dass wir lethargisch alles akzeptieren und annehmen sollen. Vielmehr ist es auch ein Akzeptieren des „nicht-akzeptieren-könnens“ und ein ins Handeln kommen zum Wohle anderer und getragen durch Mitgefühl. Aus meiner Sicht ist der Zen-Weg ein sehr aktiver, lebensbejahender Weg der spirituellen Praxis, der uns hilft uns selbst besser kennen zu lernen und uns schlussendlich die Erfahrung schenken kann, dass wir bereits sind wonach wir suchen, ohne es jemals finden zu können.

3 schätze: Der Film erscheint 2020 ebenfalls auf Deinem YouTube-Kanal, kostenlos für alle, die mehr über Zen und die Praxis des Zen erfahren wollen. Wird es auch eine DVD geben?

Heisan: Bisher ist noch keine DVD geplant, da der Film, wie du schon sagst, kostenlos auf YouTube erscheinen wird. Was aber ein weiteres Projekt sein wird, ist das Buch zum Film.

Leider mussten die Antworten vieler Lehrer und Lehrerinnen für den Film geschnitten und gekürzt werden. Aus diesem Grund suche ich aktuell noch nach Menschen, die einzelne Interviews gerne abtippen möchten und so zu diesem Buchprojekt beitragen wollen. Da ein solches Projekt nicht nur vom persönlichen Engagement getragen wird, benötigen wir darüber hinaus auch finananzielle Unterstützung. Die Korrektur und das Lektorat zum Beispiel sind ziemlich kostspielig.

3 schätze: Du hast ja bereits einige Bücher zum Thema Zen geschrieben. Magst Du dazu etwas sagen?

Heisan: Gerne. Das erste Buch „Zen – Erleuchtung und andere Missverständnisse“ beinhaltet die gesammelten Tagebücher der ersten 10 Jahre meines eigenen Zen-Wegs. In diesem Sinne habe ich also kein Buch geschrieben, sondern lediglich meine Tagebucheinträge abgetippt. Es entstand aus dem Wunsch heraus, dass ich selbst zu Beginn meines Weges gerne ein solches Buch gelesen hätte und der Aufforderung eines befreundeten Mönchs, der mir, nachdem er mein erstes Tagebuch gelesen hatte, sagte: „Das sollten möglichst viele Zen-Einsteiger lesen.“ Ungeschönt und authentisch beschreibe ich darin, in welchen wirren Gedanken ich mich selbst zu Beginn regelmäßig verheddert habe und die Missverständnisse und Illusionen, denen wir auf dem Weg begegnen können.

Aus den Tagebucheinträgen bzw. den Gedichten, die im Laufe der Zeit entstanden sind, versehen mit einem kurzen Text, entstand dann auch das Buch „Der Geschmack des Schattens einer Pflaume“.

Das Buch „Die Wahrheit des Seins“ ist mein kläglicher Versuch, das was ich im Zen für mich als wahr erkannt habe, auf irgendeine Weise in Worte zu fassen. Es beinhaltet auf wenigen Seiten kurze Texte zu bestimmten Themen des Lebens. Dabei erhebt es natürlich nicht den Anspruch auf Vollständigkeit oder Wahrheit, aber es kann die eigene Praxis durchaus bereichern.

Das bisher letzte Buch „Zazen – Weil´s besser ist als rumsitzen und gar nichts tun“ entstand aus einer Sammlung von Blog-Artikeln und Beiträgen, die im Laufe der Zeit auf meiner Website entstanden sind.

3 schätze: Möchtest Du zum Abschluss noch etwas sagen?

Heisan: Ich bedanke mich von Herzen bei allen Lehrern und Lehrerinnen für die Teilnahme an diesem Projekt und für ihre Unterweisung und ihr Handeln in der Welt. Auch allen Menschen, die dieses Filmprojekt bisher finanziell mitgetragen haben und durch Spenden den Film und das Buchprojekt möglich machen, möchte ich von Herzen danken. Nicht zuletzt gebührt mein Dank aber auch meiner Frau und meiner Familie, die mich darin unterstützt haben, dieses Filmprojekt überhaupt möglich zu machen und mir die Zeit gaben, die verschiedenen Lehrer und Lehrerinnen zu besuchen. Ich hoffe mit diesem Film einen kleinen Beitrag zur Verbreitung der Zen-Praxis leisten zu können.

3 schätze: Herzlichen Dank für dieses Interview.

Infos und Kontakt: www.blueprints-zen.info

Wenn Ihr Heisan in seiner Praxis und Weitergabe unterstützen möchtet, freut er sich über Spenden.

Den gesamten Film könnt Ihr hier ansehen.

Dieses Interview wird gleichzeitig auf der Webseite des San Bo Dojo veröffentlicht.

Pure Kôsan – Zen Vegetarische Küche – Ein Gespräch mit Christiaan Kôsan Degrande

Christiaan Degrande ist Belgier, Niederländisch sprechend, 1954 geboren und Zen-Mönch. Seit vielen Jahren kreuzen sich unsere Zen-Wege immer wieder, vornehmlich bei den Zen-Sesshins mit Meister Roland Yuno Rech in der Grube Louise im Westerwald. Wie ich, ist Christiaan ein begeisterter Koch (Tenzo) und arbeitet aktuell an einem Buch „Pure Kôsan – Zen Vegetarische Küche“. Zeit fur ein kleines Interview…

3 schätze: Christiaan, ich freue mich über die Gelegenheit zu diesem Gespräch. Bevor wir über die Besonderheiten der Zen-Küche sprechen, erzähle uns doch bitte zu Anfang kurz etwas zu Deiner Person und über Deinen Werdegang als Zen-Mönch und Tenzo.

Kôsan: Als Sohn eines belgischen Nato Offiziers lebte ich von 1964 bis 1983 in Siegburg (D). Nach meiner Ausbildung zum Zahntechniker und einer 8-jährigen Tätigkeit in Deutschland kehrte ich nach Belgien zurück, um mich selbständig zu machen. Meine Freizeit und Urlaube verbrachte ich mit Wandern und ging am liebsten in die Berge. Ich las Bücher des Extrembergsteigers Reinhold Messner, über seinen ersten Besuch im Pothala in Lhasa (Tibet), dem großen Tempel des tibetischen Buddhismus. So ist mein Interesse am Buddhismus entstanden und wächst nach und nach.

Irgendwann hatte ich alles erreicht was ich mir gewünscht habe, Familie, eigenes Haus, eigenes Geschäft… dann stellte ich fest, dass dies nicht der Sinn meines Lebens sein konnte, und am Ende des letzten Jahrhunderts landete ich unbewusst in einem Burnout mit all seinen Folgen (Scheidung, Insolvenz …). Auf der Suche nach dem tieferen Sinn meiner Existenz tauchte ich in eine alternative, esoterische und spirituelle Welt ein. Ich fand Arbeit in einem Zentrum für persönliche Entwicklung, wo ich mit Unterstützung feiner Kollegen das Kochen lernte. Gleichzeitig vertiefe ich mich in die buddhistische Philosophie und entdecke den Soto Zen Buddhismus. Schnell wurde beides eins. Was gibt es schöneres als Menschen zu ernähren im Zen-Geist. Gesunde Ernährung, Bio, PermaKultur, all das integriert sich in meinem Schaffen und Sein. Ein neues Leben hatte Gestalt angenommen.

3 schätze: Wir teilen beide dieselbe Leidenschaft, für andere Menschen zu kochen und mögen es, in Gemeinschaft zu essen. Nun schreibst Du mit „Pure Kôsan – Zen Vegetarische Küche“ ein Buch über diese besondere Form des Essens und seiner Zubereitung. Was erwartet uns in diesem Buch und wann wird es erscheinen?

Kôsan: Ich möchte ein allumfassendes Buch machen. Ein Art Nachschlagewerk mit Zen-Texten, über den Geist in der Zen Küche, die Rituale, die Sutren, Rezepte, die Art des Essens, …

Ich weiß, dass dies sehr ehrgeizig ist und dass dies Zeit braucht. Ich lasse mir Zeit aber ich habe eine Website gemacht, auf der man schon einiges nachlesen kann. Vorerst ist dies noch in französisch. (die Idee entstand in der Zeit, als ich im Tempel La Gendronniere (F) war.

Es werden auch kleinere Broschüren herausgegeben. Ich versuche, die erste über die „Guen Mai“ (Reissuppe) im Mai zu veröffentlichen.

3 schätze: Wie wählst Du Deine Speisen aus und was inspiriert Dich besonders, Deine Art des Kochen zu praktizieren?

Kôsan: Inspiration finde ich überall. Bücher, Fernsehen, schöne Fotos, bei Kollegen und, und, und. Dann frage ich mich, wie ich dies, auf eine schonende und einfache Weise für eine größere Gruppe machen kann. Dabei schaue ich mir auch an, was mir die Jahreszeit vor Ort zu bieten hat, Bio- und möglichst aus Permakultur. Es soll ausgewogen sein, geschmackvoll, farbenfroh aber einfach gemacht und möglichst gut nach zu machen sein.

“Kochen mit unser Buddha-Natur“

3 schätze: Meister Dogen spricht im Tenzo Kyokun, den Anweisungen für den Koch, von den drei Herzen als Haltung des Kochs in einer Klostergemeinschaft. Wie fließen das dort beschriebene freudige Herz, das alte Herz und das grosse Herz in Deine Praxis und die Zubereitung der Mahlzeiten ein?

Kôsan: Wenn man das Tenzo Kyokun gründlich liest und wieder liest, merkt man, dass diese metaphorische Empfehlungen, Richtlinie für das Leben sind. Wenn man sie integriert, in sein Leben und die Art des Kochens, dann wird es Leidenschaft. Obwohl es zum Erklären sehr komplex ist, ist es in der Ausführung einfach, weil es natürlich ist.

Man kann sagen “Kochen mit unser Buddha-Natur“, “Kochen mit jenseitigem Geist”, mit Herz und Seele und mit Gefühl und Mitgefühl für alles was uns umgibt.

3 schätze: Das Einnehmen der Mahlzeiten ist in einer Zen-Gemeinschaft ein eigenes Ritual und erscheint manchen Menschen oft kompliziert und undurchsichtig. Kannst Du z.B. etwas über das Essen mit mehreren Schalen und die Rezitationen sagen? Welchen Wert gibst Du dieser formalen Art des Essens?

Kôsan: Das rituelle Essen erscheint tatsächlich manchen Menschen oft kompliziert und undurchsichtig. Wenn wir wissen, warum wir so essen, ist es ziemlich einfach. Es ist ein traditionelles Ritual aus der japanischen Soto-Zen-Praxis, das seine Logik in jeder Geste findet. Es spielt keine Rolle aus wievielen Schüsseln wir essen, der Geist in dem wir essen, ist wichtig.

Aus drei Schalen zu essen, ist in vielen Zen Sangha’s Tradition. Es ist eine Handlung, die in jeder Geste Aufmerksamkeit verlangt. Und das ist es, was es schwierig machen kann; die Aufmerksamkeit in dem, was wir tun, in dem, was wir essen, zu behalten.

Die Rezitationen können uns helfen bewusster zu sein. Essen ist sich ernähren; nicht nur körperlich, es kann auch geistig sein. Die Qualität unserer Ernährung trägt mit dazu bei wie wir leben.

3 schätze: Bernie Glassman hat mal gesagt: „Jeder von uns kann der Koch seines eigenen Lebens sein“. Welche Verbindungen siehst Du in der Praxis als Tenzo und dem alltäglichen Leben?

Kôsan: Das Leben ist wie Kochen. Finde die richtigen Zutaten, behandle sie mit Mitgefühl und Respekt, wasche sie, teile sie in Portionen auf, setze sie kreativ zusammen und mische sie mit gut ausgewählten Gewürzen und serviere sie mit großer Sorgfalt. Dann kannst Du in Freude und Harmonie mit dem, was ist, essen (leben).

3 schätze: Seit vielen Jahren biete ich mit der Monks Kitchen bei 3 schätze eine offene Küche für wechselnde Gemeinschaften an, in der Menschen auch einen Hauch von Zen erfahren können. Wirst Du in Zukunft in erster Linie für Zen-Gemeinschaften und während Sesshins kochen oder bietest Du Deine Künste auch anderweitig an?

Kôsan: Im Moment koche ich oft auf Sesshins (vor allem in Belgien, Frankreich und Deutschland) aber manchmal auch für andere Gruppen außerhalb des Zen. Das erfordert eine Menge Energie aber es macht auch Riesen Spaß.

Die Zukunft wird zeigen, wo der Weg hingeht. Ich schaue nicht zu sehr in die Zukunft…

3 schätze: Herzlichen Dank für dieses Interview.

 

Kontakt:

Christiaan Kôsan Degrande
www.purekosan.com
E-Mail: kosan@skynet.be

 

Die 3 Herzen des Kochs

Dogen Zenji sagt in seinem Tenzo Kyokun, den Anweisungen für den Koch, der Tenzo (Zen-Koch) solle mit der Kraft der drei Herzen praktizieren und das Essen zubereiten.

Das freudige Herz ist das Herz, welches mit Freude der Gemeinschaft dient. Da ist zum einen die Sangha, die Gemeinschaft derjenigen, die gemeinsam den Weg Buddhas praktizieren. Zum anderen kann man darunter auch die universelle Gemeinschaft verstehen. Als Menschen haben wir die Möglichkeit zu praktizieren und die Ungetrenntheit des Lebens zu erkennen. Als Tenzo kultivieren wir Bodhi-Geist, den erwachten Geist und die Freude des Gebens.

Das alte Herz oder das elterliche Herz, ist die Fürsorge, die keine Gegenleistung erwartet. Wenn wir in der Küche stehen und das Essen zubereiten, den Tisch decken und uns Mühe geben, erwarten wir oft eine gewisse Anerkennung und Wertschätzung für unser Tun. Das Herz der Eltern und Grosseltern benötigt kein Lob, um seine ganze Energie der Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen.

Das grosse Herz, welches keine Unterschiede macht, nimmt alles so an, wie es kommt. Ob wir wertvolle, seltene Zutaten verwenden oder, wie in der Monk´s Kitchen, das aussortierte Gemüse eines Bio-Hofladens, welches an der ein oder anderen Stelle vielleicht schon schadhaft ist, als Zen-Koch behandeln wir alles mit Wertschätzung. Das grosse Herz vereint alle Zutaten zu einer schmackhaften Mahlzeit.

Für Kosho Uchiyama Roshi sind die drei Herzen grundlegend für die Zen Übung. Für ihn besteht Zen aus Ichiza, Nigyo und Sanshin. Ichiza bedeuet „Ein Sitzen“, also Zazen. Nigyo sind die zwei Praktiken, die Gelübde und die Reue und Sanshin sind die drei Herzen, die oft auch als „Drei Geisteshaltungen“ übersetzt werden. Shin ist sowohl der Geist, als auch das Herz. Der Koch sollte aus dem Herzen kochen…