anicca – embracing change

Veränderung kann nur Sinn ergeben, wenn wir uns hineinstürzen, uns mit ihr bewegen und mittanzen!” (Alan W. Watts)

Am 29.11.2015 hatte ich die Gelegenheit, den Dokumentarfilm „anicca – embracing change“ von Claus Mikosch bei 3 schätze zu zeigen. Es war die Premiere für einen sehr persönlichen, ehrlichen und inspirierenden Dokumentarfilm über Veränderung. Der Film stellt die Frage, warum wir uns oft so schwer tun, Veränderungen in unserem Leben zu akzeptieren und liefert unterschiedliche Perspektiven auf das Thema Veränderung, Wandel, Unbeständigkeit. Von unseren Möglichkeiten, als Einzelne etwas zum Wohle der Menschheit und unseres Planeten zu verändern, bis zur Konsequenz der Dekonstruktion des „ICH“. Bestseller Autor Claus Mikosch war zu diesem Termin vor Ort und im Anschluss an den Film bestand die Möglichkeit sich auszutauschen und Fragen zu stellen. Zwischendurch war außerdem Zeit für ein kurzes Interview…

Claus-Mikosch-Anicca-Shirt3 schätze: Lieber Claus, für Deinen neuen Dokumentarfilm „anicca – embracing change„, bist Du in vier verschiedene Länder gereist und hast acht sehr verschiedene Menschen getroffen und mit ihnen gesprochen. Sie alle hatten sicher ganz  unterschiedliche Perspektiven auf das Thema Veränderung. Wie hast Du die Menschen ausgewählt und was hat Dich in den Gesprächen am meisten beindruckt?

Claus Mikosch: Lieber Patrick, erst einmal danke für die Chance, hier etwas mehr von dem Film erzählen zu können. Die acht Protagonisten kommen in der Tat aus sehr verschiedenen Lebensecken: eine Mutter, ein Rapper, ein Schullehrer, ein Trauerredner, eine Yogalehrerin, ein Clown, ein Ex-Banker und jetziger Segler, und ein Buddhist. Jeder einzelne trägt eine spezielle Sicht auf das Thema Veränderung bei – beim Auswählen der Leute war das genau meine Absicht, also dass ich ein breites Spektrum an Sichtweisen in dem Film präsentieren kann. Einige der Leute kannte ich schon vorher, andere sind mir empfohlen worden. Ich hätte noch viele andere mit rein nehmen können, da letzten Endes jeder etwas zum Thema Veränderung zu sagen hat. Aber irgendwann musste ich dann sagen, ‚okay, das reicht‘, ansonsten wäre anicca ein 3-stündiger Film geworden, was für alle etwas anstrengend gewesen wäre…

Cast-alle-aniccaWas hat mich bei den Gesprächen am meisten beeindruckt? Die Offenheit, mit der alle gesprochen haben. Es waren sehr persönliche Gespräche – keine große Filmcrew, sondern einfach eine Kamera und zwei Menschen, die sich über Veränderung unterhalten. Folglich war es keine typische Interviewsituation, was sicherlich auch bei der Offenheit geholfen hat.

3 schätze: Mit dem Filmtitel greifst Du eines der Drei Dharma Siegel (Anatta, Anicca und Dukkha bzw. Nirvana) auf, welche im Buddhismus auch als Daseinsmerkmale bezeichnet werden. Als Buchautor hast Du u.a. Bücher wie „Der kleine Buddha“ und „Der kleine Buddha und die Sache mit der Liebe“ veröffentlicht. Bezeichnest Du Dich selbst als Buddhisten?

Claus Mikosch: Da muss ich Schmunzeln… Klar, die Frage ist naheliegend. Als Buddhist würde ich mich aber nicht bezeichnen. Der Buchtitel „Der kleine Buddha“ ist entstanden, weil ich damals mit meiner Tochter oft eine nahegelegene Stupa besucht habe (wegen der guten Aussicht – die Stupa steht auf einem Hügel in Südspanien, mit Blick aufs Meer und Afrika) und aufgrund ihrer neugierigen Fragen wollte ich ein Kinderbuch über den Buddha
schreiben. Letzten Endes ist dann aber etwas anderes draus geworden.

Mit dem Begriff „anicca“ bin ich das erste Mal bei einem Vipassana Kurs in Kontakt gekommen. Mich hat bei dem Wort von Anfang an die Kombination aus Einfachheit und tiefgehender Philosophie fasziniert. Und in meinem eigenen Leben hat mir anicca, also das Gesetz der Vergänglichkeit, ebenfalls sehr geholfen. Als ich dann mit dem Film über Veränderung begonnen habe, stand der Titel recht schnell fest.

Ich meditiere (eine komische Mischung aus Zazen und Vipassana…), lese gelegentlich buddhistische Literatur und höre mir Vorträge von buddhistischen Lehrern an. Das meiste, was der Buddhismus sagt, macht für mich unheimlich viel Sinn. Bin ich deshalb ein Buddhist? Nein. Ich bin einfach Claus.

Anicca - Film-Cover3 schätze: Du hast im Januar 2015 mit der Arbeit an Deinem Projekt begonnen und den Film letztlich mit Hilfe einer Crowd Funding Kampagne realisiert. Wie war die Resonanz auf Dein Projekt? Erzähl uns doch bitte ein wenig zur Entstehungsgeschichte des Films?

Claus Mikosch: Die Crowdfunding Kampagne war eine großartige Erfahrung. Sehr viel Arbeit und nicht immer einfach, aber es hat viel Spaß gemacht und das Ziel wurde weit übertroffen. Die Resonanz war gut, was vielleicht einfach damit zusammenhängt, dass das Thema für jeden Menschen relevant ist. Es gibt niemanden, bei dem sich nichts im Leben ändert.

Angefangen hat alles, als ich mir vor gut einem Jahr immer wieder dieselbe Frage gestellt habe: „Wenn ich doch weiß, dass das T-shirt, das ich gerade kaufen will, von völlig unterbezahlten Menschen gemacht wurde, die teilweise unter katastrophalen Bedingungen arbeiten, warum kaufe ich dieses T-shirt dann trotzdem?“ Mein erster Gedanke war, ein Buch zu schreiben, was ich normalerweise in so einer Situation machen würde. Dann habe ich jedoch einen Moment innegehalten und gesagt, ‚eigentlich könnte ich auch einen Dokumentarfilm über das Thema machen‘. Ich bin Schriftsteller, habe lange als Fotograf gearbeitet und Musik hat immer eine große Rolle in meinem Leben gespielt – schon lange habe ich neugierig auf das Medium Film geschielt und mich gefragt, wie es wohl sein würde, wenn ich Sprache, Bilder und Musik verbinden könnte. Da ich etwas Geld hatte und für 2015 noch keine Pläne hatte, schien der richtige Zeitpunkt gekommen zu sein. Alles andere hat sich dann recht natürlich entwickelt.

3 schätze: Als ich einen der Trailer zum Film, mit Zeitrafferaufnahmen aus Potsdam und Berlin gesehen habe, wurde mir nochmal sehr bewußt, wie alles im Fluss und in Veränderung ist. Ich fand dies sehr beeindruckend, wie man den Zugang dazu erleichtern kann, in dem man einfach das gewohnte Tempo des Lebens ändert. Irgendwie erscheint alles dann teilweise sehr abstrakt.

Claus Mikosch: Ja, die Tempoänderung hilft auf jeden Fall, weil man plötzlich etwas ungewohntes sieht und diesem mehr Aufmerksamkeit schenkt. Dabei ist es glaube ich egal, ob man das Tempo beschleunigt oder verlangsamt. Wenn man ein Foto, bei dem es anscheinend kein Tempo gibt, im Zeitraffer betrachten würden, dann würde man selbst dort sehen, dass sich alles ständig ändert und nichts bleibt, wie es ist.

3 schätze: Bisher wird „anicca – embracing change“ als Streaming im Internet oder per USB-Stick zu sehen sein. Das Thema Veränderung/Vergänglichkeit scheint mir auch für ein größeres Publikum im Kino tauglich zu sein. Planst Du noch eine Kinofassung?

Claus Mikosch: Ganz ehrlich: bisher hatte ich keine Zeit, mir darüber viele Gedanken zu machen. Bei dem Film war ich Kameramann, Soundtechniker, Fragensteller, Cutter, Produktionsleiter, etc., und meinen Tee habe ich mir auch selbst gemacht. Irgendwann musste dann mal gut sein… Natürlich wäre es schön, den Film eines Tages im Kino zu sehen, und ich denke schon, dass ich ihn an einige Filmfestivals schicken werde. Aber jetzt freue ich mich erst einmal, dass anicca draußen ist. Genau wie alles andere verändert sich auch die Art und Weise, wie wir Filme gucken, und da ist das Internet eine sehr attraktive, relativ neue Option für Filmemacher. Den Rest sehen wir dann.

3 schätze: Dein neustes Buch „Charlie und der Traum von Freiheit“ erzählt von einem Vogel- und einem Menschenpaar und ihrer Suche nach Freiheit, den Chancen und den Risiken und dem Glück, vom Leben getragen zu sein. Auch hier geht es um den Mut loszulassen und sich der Veränderung anzuvertrauen.

Claus Mikosch: Ja, das Thema scheint mir hinterherzulaufen… In dem Buch steht am Anfang ein Zitat von Thukydides, „Das Geheimnis des Glücks ist die Freiheit; das Geheimnis der Freiheit ist der Mut.“ Ich finde, da ist sehr viel Wahres dran. Ohne Freiheit gibt es kein wirkliches Glück, und Freiheit kannst du nur erfahren, wenn du bereit bist, die Leinen loszumachen und dem Unbekannten entgegen zu segeln. Dafür braucht es manchmal verdammt viel Mut. Wo nehmen wir ihn her, wenn er nicht da ist, der Mut? Darum geht es sowohl bei „Charlie und der Traum von Freiheit“ als auch bei „anicca – embracing change„. Ist einfach ein spannendes Thema, und hey, wahrscheinlich bin ich auch noch auf der Suche nach Wegen, selbst mutiger zu sein.

»Was auch immer dem Entstehen unterworfen ist, ist dem Vergehen unterworfen« (Buddha)

3 schätze: Vielen Dank für dieses Interview…

Weitere Infos / Kontakt: www.aniccathefilm.com

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Do – Der Weg zur inneren MeisterIn. KampfkunstPhilosophie fürs Leben.

Saskia Schottelius hat im TAO-Verlag ihr neuestes Buch “Do – Der Weg zur inneren MeisterIn. KampfkunstPhilosophie fürs Leben.” veröffentlicht. Herausgegeben wird es von Chikara-Frauen in Bewegung e.V. und ist mit wunderschönen Illustrationen von Antje Meister versehen.

Am 20.11.2015 ab 19:00 ist Saskia Schottelius zu einer Buchpräsentation/Lesung bei 3 schätze zu Gast. Im Vorfeld habe ich ein Interview mit Saskia Schottelius geführt.

Do_Cover_Chikara„Sei frei, wo immer Du bist“ oder „Bewege deinen Körper und lebe einen achtsamen Geist!“

3 schätze: Liebe Saskia, ich freue mich, dass Du Dein neues Buch “Do – Der Weg zur inneren MeisterIn. KampfkunstPhilosophie fürs Leben.” demnächst in einer Lesung bei 3 schätze vorstellen wirst und über die Gelegenheit für dieses Interview.

Bevor wir über das Buch sprechen, was bedeutet CHIKARA?

Saskia Schottelius: Lieber Patrick, ich freue mich auch sehr und danke dir für diese schöne Gelegenheit, mich mit meiner Arbeit und meinen Gedanken präsentieren zu dürfen. „Chikara“ bedeutet „innere Kraft“, „Lebensenergie“, und ist der Name der Kampfkunstschule, die ich vor über 20 Jahren ins Leben gerufen habe. Du kannst es auch als Verbindung von Tai CHI und KARA te lesen und triffst damit gleich den Kern unserer Arbeit: die Verbindung von fernöstlicher Energiearbeit und japanischer Kampfkunst.

Kyudo3 schätze: Du schreibst, dass sich Dein neues Buch an all jene wendet, die über fernöstliche Bewegung und deren buddhistisch fundierte Philosophie zu sich selber finden und über sich selbst hinaus wachsen möchten. Gleichzeitig geht es dabei um ganz praktische Techniken und Grundgedanken in einer FrauenKampfschule. Erzähl uns doch ein wenig über Deine Verbindung dieser beiden Wege, also Kampfkunst und Meditation bzw. buddhistischer Philosophie.

Saskia Schottelius: „Frauenkampfschule“ finde ich gut! In der Einleitung meines Buches gibt es eine kleine Stilkunde zum Shuri-Ryu-Karate und wie es von Okinawa über die USA und die Niederlande bis nach Bonn gekommen ist. Unterwegs hat es dann die „feministische Wende“ genommen, was bedeutet, Frauen haben sich dieses Stils bemächtigt, um ihren eigenen Interessen wie „Wehrbarkeit“ und „Sichtbarkeit“ Raum zu geben. So gesehen ist aus der Schule, die den „Frauenkampf“ der 70er beflügelt hat, eine Frauenkampfkunstschule geworden: Im Mittelpunkt steht die Stärkung der Persönlichkeit von Frauen, Kindern und Jugendlichen, um sich im Leben friedvoll behaupten zu können. Dabei ist der Geist dieser Schule ein anderer als der von Kampfsportschulen, die sich um Themen wie „Wettstreit“, „Aggressionsabbau“ oder „Abhärtung“ drehen. Die weibliche Seite der Kunst ist eine ganzheitlich stärkende, motivierende und friedfertige, wie ich sie unter anderem im Werk von Thich Nhat Hanh ausgedrückt finde. Deshalb war es mir so wichtig, ein Buch über Frauenkampfkunst zu schreiben, bevor diese wieder aus dem Blick gerät oder ganz verschwindet.

3 schätze: Erläutere doch bitte „Dokan, der Weg ist ein Kreis“ und die Wichtigkeit des „Anfängergeist“ im Karate.

chikara_kreisSaskia Schottelius: Der Enso, der Kalligraphiekreis auf dem Umschlag meines Buches, deutet auf die Philosophie des „Dokan“: der Weg ist ein Kreis. Das hat mich am Beginn meines Karate-Weges am meisten fasziniert – stand es doch in direktem Gegensatz zu meiner (geradlinigen) Karriere als Wissenschaftlerin, der ich gerade nachjagte – oder vielmehr vorausjagte! Das machte mich zwar erfolgreich, aber nicht entspannt und zufrieden. In der Kampfkunstwelt erlebte ich etwas anderes. Immer wieder stand ich ganz am Anfang mit meinem Erlernten – ganz gleich, wie viel ich mich auch bewegte und bemühte. Aber nach und nach wich das Bedauern darüber. Eine neue Gurtfarbe macht keine Gehaltserhöhung – ist also aus Sicht unserer Gesellschaft nutzlos. Der Sinn liegt nur in deiner eigenen Entwicklung von Leichtigkeit, Großzügigkeit, Demut, Gelassenheit und Geduld, nicht aber in einem messbaren Wert. Und wenn du begreifst, dass das eigentliche Lernen erst mit dem Schwarzgurt beginnt, kommst du der Idee vom „voll-kommenen“ Kreislauf schon sehr nahe.

In meinem Buch finden sich viele asiatische Anekdoten, die bringen das wunderbar auf den Punkt: „Leere deine Schale“ gegen unser „Immer-bereits-wissen“ oder die Geschichte vom Fischer, die als „Anekdote zur Senkung de Arbeitsmoral“ durch Heinrich Böll berühmt wurde, oder die Parabel vom „Schwarzgurt werden“ anstelle von „Schwarzgurt sein“ – sie alle und viele mehr zeigen uns einen guten Weg weg vom Erfolgsdenken.

„Verändere Deine Sprache und Du veränderst Deine Welt!“

3 schätze: Ein Kapitel Deines Buches beschäftigt sich auch mit Achtsamer Kommunikation. Du hast „Kommunikationsforschung und Phonetik“ studiert und bietest auch Rhetorikseminare an. Aus einem Karate-Dojo kennt man vielleicht eine eher einseitige und auch hierarchische Kommunikation, in Form von Kommandos etc. Was ist die Sprache Deines/Eures Dojos bei CHIKARA?

Saskia Schottelius: Ja, die Sprache. Das ist natürlich meine ganz persönliche Leidenschaft. Mir ist im Laufe meines Lebens immer bewusster geworden, wie essentiell uns die Sprache prägt, und wie wichtig es ist, sich einer positiven, unterstützenden Sprache sich selbst und anderen gegenüber zu bedienen. Und wir können uns wirklich „bedienen“: die Sprache hält viele schöne Möglichkeiten bereit, ohne dass wir in Schönrednerei enden müssen. Es kommt immer vor allem auf die Perspektive an. Benenne ich meine Stärken oder meine Schwächen? Das was ich benenne, wird an Raum gewinnen und mich in meinem Leben dominieren. Diese Erfahrung mache ich auch in meiner Arbeit als freie Dozentin überall: ob mit Polizistinnen, PromovendInnen oder PolitikerInnen – alle sind sich vor allem ihrer Defizite bewusst. Und das Ganze wird verstärkt durch die vielen alten Muster, in denen wir denken und leben und die durch die Sprache in Form von Redensarten und Sprichwörtern konserviert werden. Doppelte Negationen anstelle von Lob, Unglücksperspektiven und Peinlichkeiten werden uns von klein auf eingetrichtert: „nicht von schlechten Eltern“, „wer einem eine Grube gräbt…“, „Eigenlob stinkt“ usw. Erst wenn wir anfangen, eine andere Sprache zu sprechen, können wir uns von dieser Macht befreien.

Eine andere Sprache können wir tatsächlich gut im Dojo üben. Das machen wir so bei „Chikara“. Am Ende der Stunde denken wir uns in der Meditation ein motivierendes Mantra („ich bin schön, ich bin stark, ich kann das“) und wir wertschätzen uns in der Abschlussrunde einmal selbst anstatt uns für unsere schlechte Kondition/ Koordination oder anderes zu rügen. Kleine Schritte, große Wirkung.
Ein paar ganz praktische Übungen dazu finden sich im Buch. Achtsame Sprache im Dojo heißt auch ganz konkret, dass die Unterrichtenden gendersensible Sprache sprechen, denn „erst wenn Frauen in der Sprache in Erscheinung treten, sind sie der Rede wert!“

ButohUnd damit sind wir beim noch weiter reichenden Konzept von „Körper – Sprache in Bewegung“…

3 schätze: Was genau ist damit gemeint?

Saskia Schottelius: Unsere Körperhaltungen verraten sehr viel über das, was uns im Leben bewegt. In meinen Seminaren und Kursen gibt es immer Einheiten wie die Taoistischen Gesundheitsübungen aus dem Qigong, durch die ich ganz viel von meinen TeilnehmerInnen erfahre.
Das ist natürlich ein großer Vorteil, vor allem wenn wir am überzeugenden Selbstausdruck arbeiten. Verändere ich die Körperhaltungen, verändere ich oft auch den Geist, der sich dahinter verfestigt hat. Also eine Ermüdung, eine Überforderung, eine große Zurückhaltung, dies alles und vieles mehr erscheint oft als hochgezogene Schultern, vorgeschobene Köpfe oder runde Rücken. Viele Frauen und auch Kinder machen so den ersten Schritt aus einer Opferrolle heraus.

Wenn wir noch eine Dimension tiefer gehen, kommen wir zu so gewagten wie auch einleuchtenden Thesen, dass Informationen durch Wasser übertragen werden können, Körper und Sprache der Botenstoff menschlichen Daseins sind und bestimmte Muster von Bewegungen universelle Strukturen widerspiegeln. Auch von diesen ominösen Dingen handelt mein Buch. Wichtig ist mir immer die Verbindung von Philosophie und Praxis: Was nützt mir diese Einsicht oder Idee für meinen Alltag und wie kann ich das, was ich im Dojo lerne, umsetzen.

3 schätze: Dein Verständnis, das Dojo als einen Ort von Beziehung, also der Begegnung und weniger der Konkurenz, ja sogar als Abbild des gesamten Kosmos zu sehen, deckt sich sehr mit dem, wie wir die Übung in einem Zen-Dojo sehen. Wie wichtig ist für Dich die Form, die Regeln in einer solchen Gemeinschaft?

Saskia Schottelius: Die Dojo-Etikette ist ein ganz wesentlicher Bestandteil einer Weg-Kunst. Indem wir uns verneigen, Gegenstände mit Respekt behandeln, uns uni-form kleiden (also ohne Statussymbole erscheinen) und im wesentlichen schweigen, üben wir uns in „rechter Achtsamkeit“, der zentralen Prämisse und Praxis aller Wegkünste.

logo_chikaraUnd es gibt ja so viele wunderschöne Wege neben Zazen und Kampfkunst, wie zum Beispiel den Teeweg, den Weg des Pinsels, den des Blumensteckens oder des Bogenschießens. Immer geht es darum, die vollkommene Aufmerksamkeit im Augenblick zu „atmen“ – und das bedeutet am Ende Freiheit. Von Plänen, Ärgernissen , Zielgerichtetheiten, Gier, von Sein-Wollen und Sein-Sollen, von eigenen und fremden Erwartungen usw.

Wenn wir erst einmal erlebt haben, dass sich das Gleichgewicht des Kosmos viel besser erhalten und regulieren kann, indem wir nicht eingreifen, bleibt uns faktisch ganz viel Stress erspart. Wir brauchen unseren Geist nur offen zu halten und dürfen die Dinge einfach kommen lassen. Die Mechanismen des „Wuwei“, des Handelns durch Nichthandeln, haben ihre eigenen Gesetze. Und wenn ich, wie im Dojo, lerne, meiner Intuition zu folgen, kann ich mich mit diesen viel besser verbinden.

3 schätze: Welche Rolle hast Du als Sensei in diesem System?

Saskia Schottelius: Ja, da übe ich natürlich genau so wie alle anderen in einem Dojo, einem Ort des Weges. Sensei heißt wörtlich „nur“ diejenige, die den Weg vorausgeht, also nichts Besseres, sondern einfach länger unterwegs. Die größte Herausforderung ist für mich tatsächlich nicht einzugreifen. Wenn Konflikte in mir aufsteigen oder sich bei anderen zeigen, übe ich mich in „weiser Zurückhaltung“. Die Kämpferin in mir, die gerne auf die Barrikaden geht, will jedoch etwas anderes. Das finde ich natürlich schwierig.chikara-saskia-02

Am deutlichsten wird das vielleicht am Beispiel Gewalt. Meine Lebensefahrung ist, dass du größte, auch körperliche Gewalt mit Gewalt beantworten und in seine Schranken weisen musst, damit sie nicht die totale Macht erhält. Ich möchte aber keine Gewalt anwenden. Inzwischen halte ich es für das Beste, sich dem Negativen möglichst zu entziehen und dem Positiven so viel Raum zu geben, dass es an Einfluss und Dimension gewinnt. Resiliente Menschen, also solche mit besonderer innerer Widerstandskraft, helfen sich in Gefahrensituationen mit der Kunst, den Geist zu lenken – wie in einem Dojo auch. Mit jedem Kiai, dem Kampfschrei oder Atemstoß auf dem Höhepunkt einer Aktion, und jeder Kata, also Kampfform gegen imaginäre Gegner, verbinden wir uns mit einer Kraft, die weit über uns selbst hinausreicht. Das ist nicht nur Chi-Energie, das ist auch die Kraft positiver Visionen.

Oder liebevoll gesprochen: Wenn du ein Kind von schreiendem Schmerz oder Ärger befreien möchtest: „Schau mal, da hinten der Schmetterling, der hat ja ganz goldene Flügel!“ Und schon öffnen sich unsere Herzen mit einem Lächeln.

3 schätze:…lächelt… 🙂

Saskia Schottelius: …lächelt auch … So gesehen versteht sich doch unser Schluss-Satz wie von selbst…

„Ein gutes Kampfkunsttraining ist, auf diese Weise und als Wegkunst betrachtet, ein Beitrag zum Frieden auf dieser Welt“.

 

Chikara-LogoKontakt: Chikara-Frauen in Bewegung e.V.
Vorsitzende: Dr. Saskia Schottelius
Geschäftsführung: Dr. Ira Stubbe-Diarra
Büro: Ebereschenweg 9, 53127 Bonn

Das Chikara Dojo in Bonn befindet sich in der Frongasse 9, 53121 Bonn sowie in Köln-Ehrenfeld und Köln-Porz. www.chikara-frauen.de

Kontakt zu „Kommunikation und Kampfkunst“: www.saskia-schottelius.de

Das Buch “Do – Der Weg zur inneren MeisterIn. KampfkunstPhilosophie fürs Leben.” (Hardcover) kann bei 3 schätze im Online-Shop bestellt werden.

Weitere Veröffentlichungen:

Saskia Schottelius: Sagen Sie doch, was Sie wollen. Überlegen kommunizieren. Mit Taoistischen Gesundheitsübungen. Oesch-Verlag, Zürich 2009.

sagen_sie-was_sie_wollen_cover_buchSaskia Schottelius: Fatum, Fluch und Ironie. Zur Idee des Schicksals in der Literatur von der Aufklärung bis zur Romantik. Peter Lang Verlag, Ffm, Bern, New York 1995.

Saskia Schottelius: Das imaginäre Ich. Subjekt und Identität in Ingeborg Bachmanns Roman „Malina“ und Jacques Lacans Sprachtheorie. Peter Lang Verlag, Ffm, Bern, New York 1990.

„Die dunkelste Stunde ist die vor der Dämmerung“

„Schwarz ist pures Gold – Vom Glück, Alkoholikerin zu sein“

Am Sonntag, 23.08.2015 wird Gabriele Daum um 18:00 im Rahmen der 11. Lesereise der Bonner Altstadtinitiative bei 3 schätze aus ihrem neuen Buch „Schwarz ist pures Gold – Vom Glück, Alkoholikerin zu sein“ lesen.

Vom Glück, Alkoholikerin zu sein, weiß Gabriele Daum aus eigener Erfahrung zu berichten. Nach einer Kindheit, die durch traumatische Erfahrungen geprägt war, landete sie in schwarzer Hoffnungslosigkeit – in der Sucht. Mit Mut, großer Offenheit und auch Humor erzählt sie in Schwarz ist pures Gold von der Achterbahn ihrer Lebensreise, die sie schließlich aus der sucht bedingten Isolation zum Gold ihrer inneren Kraftquelle führte und ihr auch ein Leben voller Zuversicht, Lebensfreude und Verbindungen zu anderen schenkte.

buch-cover-schwarzes-goldEin hilfreiches Buch nicht nur für Menschen, die unter Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit, Essstörungen oder seelischen Konflikten leiden. Es gewährt auch Angehörigen, Freunden und Menschen, die mit Menschen arbeiten, tiefe Einblicke und zeigt, wie mit Beharrlichkeit und verständnisvoller Unterstützung von außen der Weg hin zur Heilung gelingen kann.

„Die 12 Schritte, ein spiritueller Pfad“

Außerdem wird an diesem Abend Patrick Little als Gast anwesend sein. Patrick Little begab sich im Jahre 2003 auf den Weg der Genesung. Mit Hilfe der 12 Schritte (Stufen), die ursprünglich 1939 von den ersten 100 genesenen Alkoholikern in dem Buch ‚Alcoholics Anonymus‘ festgehalten wurden, lebt er heute glücklich, fröhlich und frei.

Patrick Little berichtet über seine Erfahrungen und über die Anwendbarkeit der 12 Schritte, als spirituelles Programm, in allen Belangen des Lebens um die Genesung der Menscheit zu verwirklichen.

Im Anschluss gibt es Gelegenheit für Fragen und Gespräch.

Die Plätze sind begrenzt; Karten für den Abend gibt es im 3 schätze Laden sowie in der Altstadtbuchhandlung Büchergilde.