Moon Mountain Dharma – Ein Gespräch mit Hans Kaishin Tenryu Stucken

Wir im Westen müssen Wege finden, das Feuer des Erwachens weiterzugeben, anstatt japanische Asche anzubeten„.

3 schätze: Lieber Hans, unsere Wege kreuzen sich seit vielen Jahren immer mal wieder und ich freue mich dass wir nun Zeit finden, ein kleines Interview zu führen.

Hans Stucken: Die Freude ist ganz meinerseits. Wenn ich so zurückdenke, weiß ich gar nicht mehr, wie ich zum ersten Mal auf 3 schätze gestoßen bin.
Als gebürtiger Kölner bin ich ja immer eher in der Domstadt unterwegs gewesen. Woran ich mich jedoch gut erinnere war die Erleichterung, als ich gemerkt habe, dass Ihr auf verschiedenen Ebenen eine sehr ernstzunehmende Unternehmung seid und trotzdem der Humor nicht zu kurz kommt. Ich bin beruflich leider oft sehr eingespannt, freue mich aber immer sehr, wenn ich es zu Euch schaffe.

3 schätze: Vor kurzem hast du die Dharmaübertragung von deinem Lehrer Pierre Taigu Turlur Roshi erhalten. Erzähl uns doch ein wenig über deinen Werdegang als Zen Mönch.

Hans Stucken: Grundsätzlich bezeichne ich mich nicht als Mönch, da dieses Wort in meinen Augen (oder eher Ohren) durch die fehlende Verpflichtung zu einer Art Zölibat und mein Leben außerhalb von Klostermauern bei vielen Menschen etwas falsche Assoziationen weckt. Auf der anderen Seite stimmt natürlich, dass man nach der Shukke Tokudo Ordination kein Laie mehr ist. Zumindest aus japanischer Sicht. Da das während der Meiji-Zeit reformierte System in Japan halt nicht 1 zu 1 auf den Westen zu übertragen ist,  muss da jede/r für sich selbst bestimmen, wie man sich bezeichnet. Mit „Dharmalehrer“ komme ich ganz gut klar.

Als 16jähriger Teenager kam ich zum ersten Mal so richtig mit dem Buddhismus in Berührung, da ich ein Jahr als Austauschschüler bei einer japanischen Gastfamilie in Chiba-Ken verbringen durfte. Danach habe ich erstmal sehr Vieles mit Begeisterung ausprobiert und fand auch das Studium und die Ausübung diverser okkulter und naturreligöser Praktiken sehr faszinierend. Regelmäßiges stilles Sitzen praktiziere ich seit ca. 2001. 2006 sind dann mehrere Menschen aus meinem direkten Umfeld gestorben, was schlagartig dazu führte, dass ich noch im selben Jahr Zuflucht genommen habe. Etwas in mir wollte, dass ich mich weg von den Dingen orientieren sollte, die ich angenehm fand, um mich auf die Dinge zu konzentrieren, die ich eigentlich nötig hatte. Ich erinnere mich da gut an ein Gespräch mit einem Buddhisten, der mich seinerzeit mit einigen wenigen (freundlich gemeinten) Sätzen so bis aufs Mark zerlegt hat, dass ich ihm noch heute dankbar bin.

Soto-Zen hatte ich nach einer etwas humorlosen ersten Begegnung eigentlich schon abgeschrieben, als mir Brad Warners Buch Hardcore Zen indirekt den Weg zur Linie meines Meisters Taigu Turlur Roshi ebnete. Da ich viel im Ausland war, war ich eine Zeit lang sehr dankbar, Teil der organisatorisch zentral im Internet beheimateten Treeleaf Sangha (von Jundo Cohen ins Leben gerufen) sein zu können, über die ich auch meinen Meister Taigu Turlur kennenlernen durfte. Er war es auch, der mich mit den Werken Lex Hixons vertraut machte, die mich nachhaltig beeinflusst haben.

Ich weiß noch, wie ich ihn das erste Mal in Osaka besucht habe und in einem komplizierten Bahnhof so ein wenig wie bei Pac-Man mehrfach immer genau falsch abgebogen bin. Taigu-Roshi fand meine daraus resultierende Verspätung damals nicht gerade großartig, beeindruckte mich aber dadurch, dass seine Emotionen so ganz ohne Rattenschwanz einfach klar zu Tage traten. Ich fühle mich ihm menschlich extrem verbunden, auch wenn wir ganz sicher nicht immer einer Meinung sind. Mitglied der Soto-Shu bin ich übrigens nicht und strebe das auch aus verschiedenen Gründen nicht an.
Meine Dharmaktivitäten fasse ich seit einigen Wochen unter dem Namen „Moon Mountain Dharma“ zusammen, bin mir aber selbst noch nicht 100% sicher, was für Formen dies alles annehmen wird.

3 schätze: Was bedeutet die Dharmaübertragung für Dich und was wird sich in Zukunft dadurch für Dich verändern?

Hans Stucken: Ein komplexes Thema. Einerseits ist ja so eine Dharmaübertragung in Japan für Japaner total uninteressant, in Europa hingegen wird ihr von vielen Menschen extrem viel Bedeutung beigemessen. Für mich persönlich ist sie wichtig, weil sie die innige Verbindung zu meinem Lehrer auf eine intime Weise unterstreicht. Sie wird ganz sicher ihre eigene Dynamik in meinem Leben entfalten. Wir werden sehen, es ist alles noch sehr frisch.

3 schätze: Hast du von Seiten deines Lehrers mit der Dharmaübertragung einen gewissen Auftrag erhalten?

Hans Stucken: Na ja, mein Lehrer hat wohl das eingesetzt, was man heutzutage auf Denglisch „reverse psychology“ nennen würde. Er hat explizit betont, dass ich damit machen kann, was ich will. Diese Aussage führt bei mir jetzt eher dazu, allzu wilde Ideen viel konservativer zu bewerten, als ich es sonst tun würde. Klar ist, dass ich eine innere Verpflichtung fühle, den Buddhadharma sinnvoll zu teilen und weiterzugeben. Ich sehe meine Berufung jedenfalls ganz sicher nicht darin,
irgendeine Art Wellness-Zen oder Managertrainings anzubieten.

3 schätze: Seit vielen Jahren leitest du in Hennef eine kleine Zen Gruppe. Wirst du dein Angebot als Zen Lehrer nun ausbauen?

Hans Stucken: (lacht) Ich fange jetzt erstmal mit ein paar Belehrungen zum Diamantsutra an. Für meine Minigruppe in Hennef suche ich schon geraume Zeit nach neuen Räumlichkeiten und werde versuchen, dort wieder mehr Aktivitäten zu entfalten.

3 schätze: Du bist ja auch schon etliche Male nach Japan gereist. Wie siehst du die Gemeinsamkeiten beziehungsweise Unterschiede im japanischen Zen und dem westlichen Zen?

Hans Stucken: Wieder ein SEHR großes Thema. Lass es mich so formulieren, da ich ja als Teenager ein Jahr in einer stinknormalen japanischen Familie leben durfte, habe ich einen anderen Eindruck davon, welche Stilelemente im japanischen Zen eher der allgemeinen Kultur zuzuordnen sind und welche aus meiner subjektiven Sicht den Dharma generell ausmachen.

Ich finde es immer witzig, wenn Westler manchmal päpstlicher als der Papst sein wollen, wenn sie z.B. diesen extremen Drang zur Konformität, die japanische  Regelversessenheit, das Verhältnis zu Hierarchien etc. dem Dharma an sich zuordnen, wobei solche Elemente oft eher dem konfuzianischen Einfluss geschuldet sind.
Wir im Westen müssen Wege finden, das Feuer des Erwachens weiterzugeben, anstatt teilweise japanische Asche anzubeten.

Der Buddhismus ist ja auf Grund verschiedener Entwicklungen in Japan gesellschaftlich extrem irrelevant geworden. Zazen üben nur wenige Laien, die Priester sind in der Gesellschaft vor allem für das Abhalten von Begräbnisritualen bekannt. Klöster wie Antai-ji sind eine großartige Ausnahme, aber nicht unbedingt repräsentativ für „normale“ Tempel.

Gleichzeitig sollten wir uns hüten, einfach durch Schnellschüsse unserer westlichen Arroganz das Kinde mit dem Bade auszuschütten. Ein klarer Unterschied ist auf jeden Fall die Tastache, dass im japanischen Klosterkalender viele Rituale vorkommen.
Im Westen wird ja vor allem seit den 60ern oft so getan, als ob Zen-Buddhisten klassischerweise nicht viel mit Ritualen und Sutren etc. zu tun hätten, aber das Gegenteil ist ja im klösterlichen Mainstream-Zen der Fall. Dem taoistischen Küchengott wird genauso wie Landgeistern regelmäßig so mancher Verdienst rituell gewidmet.

3 schätze: Am 24.03.2018 wirst du im Bonner San Bo Dojo einen Workshop zum Diamant Sutra anbieten. Für wen ist dieser Workshop gedacht und was erwartet die Teilnehmenden?

Hans Stucken: Wir werden nach einer kurzen Vorstellungsrunde ca. 30 Minuten Zazen sitzen und danach das gesamte Diamantsutra einmal komplett in deutscher Sprache anhören bzw. ich lese es nach einigen grundlegenden Anmerkungen vor. Danach machen wir eine kleine Teepause. Im weiteren Verlauf werde ich auf einzelne Kapitel gesondert eingehen und einige spezielle Aspekte hervorheben.

Es würde mich freuen, wenn wir dann zu einem Frage-Antwort Dialog kämen, durch den wir die etwaige Bedeutung dieses Meisterwerkes für unsere Praxis noch mehr herausarbeiten können. Die Auseinandersetzung mit dem Diamantsutra soll ja in unserem Leben verankert sein. Mir geht es vor allem darum, das Bewusstsein für die Mahayana-Grundlage unserer heutigen Zen Praxis zu schärfen und vielleicht die ein oder andere Person dazu zu inspirieren, die Scheu vor der Auseinandersetzung mit unseren heiligen Schriften abzulegen. Je nachdem wie viele alte Zen-Hasen anwesend sein sollten, werde ich meine Ausführungen und Belehrungen leicht anpassen, aber grundsätzlich sind diese knappen vier Stunden für wirklich all jene gedacht, die sich für Dharma interessieren, selbst wenn sie komplette Anfänger sind.

3 schätze: Herzlichen Dank für dieses Gespräch. Ich freue mich schon auf den Workshop zum Diamant Sutra. Infos zum Workshop in dem kleinen Video oben und unter: www.zen-bonn.de (Termine)

Infos: facebook/moonmountaindharma