Filmprojekt: Blueprints for Zen-Practice – Ein Gespräch mit Thorsten Heisan Schäffer

Thorsten Heisan Schäffer ist Zen-Mönch in der Tradition von Zen-Meister Roland Yuno Rech. Mit ihm führte er ein erstes Interview, welches der Beginn des Filmprojekts Blueprints for Zen-Practice sein sollte. 9 Fragen nach Erleuchtung, Ego, Leiden, Zen im Alltag usw. liefern die Grundlage für dieses Projekts. Nach einer Vielzahl von Interviews ist der Film nun (fast) fertig. Zeit für ein Gespräch…

3 schätze: Hallo Thorsten, schön, dass wir dieses Interview machen können. Erzähl uns doch zu Beginn kurz etwas zu Deiner Person.

Heisan: Da gibt´s nicht viel zu erzählen. Ich bin Zen-Mönch in der Tradition des Soto, verheiratet und Vater von zwei wunderbaren Kindern, Buch-Autor und praktiziere seit knapp 20 Jahren Zazen in der Linie von Roland Yuno Rech. Schon seit Kinderbeinen an faszinierte mich die Frage nach dem Sinn des Lebens, dem Sinn der Existenz. Diese Fragen brachten mich bereits mit 12 Jahren mit Zen in Kontakt.

3 schätze: Blueprints for Zen-Practice, das sind Gespräche mit Roland Rech, Olivier Wang-Genh, Muho, Alexander Poraj, Doris Zölls, Dirk Künne, Harry Teske, Nakagawa, Jion Blondstein, Anna Wassermeyer, Doko Waskönig und Christoph Hatlapa. Wann hattest Du die Idee zu diesem Filmprojekt und wann hast Du mit den Interviews begonnen?

Heisan: Die Idee schlummerte wohl schon etwas länger im Unterbewusstsein und basierte auf einem Film, den ich vor vielen Jahren gesehen hatte. Darin besuchte ein Mann verschiedene weise Männer und Frauen in Indien und stellte ähnliche Fragen wie ich in den Interviews.

Irgendwann war die Idee für dieses Filmprojekt dann völlig klar und ich „sah“ den Film bereits im Geiste. Einige Zeit später brachte ich zum Sesshin dann einfach die Kamera mit, erzählte meinem Lehrer von der Idee und er fragte mich, wann ich denn das Interview machen wolle. Ich antwortete ihm „Am liebsten sofort.“ Er war etwas überrascht, willigte aber ein am nächsten Tag das Interview durchzuführen. So fing alles an.

3 schätze: Der Film trägt den Untertitel „Einzigartige Dialoge mit europäischen Zen-Meistern über die Praxis des Zen“. Wie hast Du die verschiedenen Lehrer und Lehrerinnen gefunden, die im Film zu sehen sind.

Heisan: Mit einigen Lehrern war ich schon vorher im Kontakt. Die meisten habe ich aber über deren Webseiten ausfindig gemacht und habe ihnen einfach eine E-Mail geschrieben. Um ehrlich zu sein war ich etwas überrascht über die weitestgehend schnelle und positive Resonanz.

Da es mir wichtig war, nicht nur das Interview durchzuführen, sondern die Unterweisung in Form der Praxis jedes einzelnen Lehrers direkt zu erfahren, besuchte ich die Sesshins der Lehrer. Meist blieb ich ein bis zwei Nächte und so hatten wir Zeit für die Interviews.

Es war spannend und bereichernd, die Art der Unterweisung der unterschiedlichen Lehrer kennen zu lernen. Auch die Praxis der verschiedenen Traditionen wie Rinzai oder Soto, deren Ähnlichkeit und Unterschiede, waren für mich überaus interessant. So konnte ich die Erfahrung der Koan-Arbeit machen, die deutlich schnellere Rezitation der Rinzai-Schule, aber auch die unterschiedlichen Schwerpunkte der verschiedenen Soto-Lehrer kennenlernen.

3 schätze: Waren alle angefragten Lehrer*innen dem Projekt gegenüber aufgeschlossen oder hast Du auch Absagen bekommen?

Heisan: Es gab Lehrer, die sofort, ohne mich oder die Interviewfragen zu kennen, spontan zusagten ohne irgendwelche Rückfragen zu stellen. Viele wollten die Interviewfragen bewusst nicht einmal vor dem Termin erhalten, da sie frisch und ohne Vorbereitung aus dem Augenblick heraus die Fragen beantworten wollten. Das hat mich durchaus beeindruckt. Dann gab es Lehrer, die ohne irgendwelche Rückfragen zu stellen, mir ausrichten ließen, dass sie kein Interesse an diesem Filmprojekt hätten.

Aber es gab auch Sonderfälle, die mir zunächst dutzende Fragen zurück sendeten, mit der Bitte, diese zunächst zu beantworten. Nachdem ich bis zu 12 Fragen beantwortet hatte, zum Beispiel welche anderen Lehrer noch im Film vorkommen, wie der Film heißen soll, wie er veröffentlich wird und welche Fragen ich stellen würde, erhielt ich dann eine Absage.

Insgesamt schrieb ich etwa 18 Lehrer an. Interviews habe ich dann aber nur mit 12 Lehrern geführt und das hat dann auch gereicht. Ich habe es mir weniger anstrengend vorgestellt, die einzelnen Lehrer in Frankreich und ganz Deutschland zu besuchen, als es schlussendlich war. Meine Frau war übrigens auch erleichtert, als ich soweit alle Interviews im Kasten hatte und wieder mehr Zeit zu Hause verbrachte [Lachen].

Einen Lehrer, und das bedaure ich zutiefst, habe ich nicht mehr besucht, da die Zeit und Energie aufgebraucht war. Es handelt sich um Marcel Geisser, der in der Schweiz im Haus Tao praktiziert und den ich durch seine Bücher und unseren E-Mail Kontakt sehr schätze. Aber die Energie war einfach vorbei und so habe ich ihn nicht mehr besucht und persönlich kennenlernen können.

9 Fragen 9 Antworten

Die folgenden 9 Fragen wurden allen Zen-Meistern gestellt:

1. Wer bist du?
2. Was ist Erleuchtung? Was ist Erwachen?
3. Benötigt dieses Erwachen irgendwelche Voraussetzungen?
4. Was ist Zazen und wie praktiziert man es?
5. Wie können wir als Mensch das Leiden überwinden?
6. Was bedeutet „Das Ego zu überwinden“?
7. Was bedeutet Hingabe im Zen-Buddhismus?
8. Wie praktiziert man Zen im Alltag?
9. Was ist dein wichtiger aber kurzer Hinweis für Praktizierende?

3 schätze: Du hast jedem Lehrer, jeder Lehrerin dieselben neun Fragen gestellt. Waren dies auch Deine Fragen, die sich Dir im Laufe Deiner Praxis gestellt haben?

Heisan: Ja und nein, ich denke dass jeder Schüler sich mit den Fragen nach Erleuchtung und Erwachen, nach der Überwindung des Leidens und der Funktionsweise des Egos beschäftigt. Aber ehrlicherweise stammen die Fragen aus dem besagten Film, der mich zu „Blueprints for Zen-Practice“ inspiriert hat. Ich habe die Fragen etwas auf die Zen-Praxis angepasst und jeder Lehrer erhielt die selben neun Fragen.

3 schätze: Du sagtest vorhin, dass die Entstehung der Interviews immer auch mit einer gewissen Zeit der Praxis in den verschiedenen Zen-Sanghas zusammen hing. Was waren für Dich die gravierensten Unterschiede und gab es etwas, was Du überall wiedergefunden hast?

Heisan: Interessant war für mich vor allem, dass ich mich nicht wie sonst einfach ins Sesshin hineinfallen lassen konnte. Die Abläufe waren etwas unterschiedlich und ich fühlte mich bei manchen Sesshin, vor allem in der Rinzai-Tradition, wie ein blutiger Anfänger.

Das war eine wunderbare Erfahrung. Alle angelernten Abläufe, Routinen und Rituale der letzten 20 Jahre mussten losgelassen werden. Diese Erfahrung war sehr bereichernd.

Im Rinzai-Tempel zum Beispiel gab es das Holz, die große Glocke und das Metall, aber sie wurden auf eine andere Art und Weise genutzt. Das sitzen mit dem Gesicht in den Raum, die Koan-Praxis, die Handhaltung und das Tee-Ritual vor dem Zazen war auch so ein Beispiel.

Aber schlussendlich gab es auch viele Gemeinsamkeiten. Allen gemeinsam war zum Beispiel die Offenheit und Herzlichkeit, die mir entgegen gebracht wurde und die vermutlich typisch für das Zen im Allgemeinen ist. Ein paar der Lehrer waren offener, andere etwas verschlossen und wollten gerne ihren Lehrer-Status demonstrieren. Aber schlussendlich waren es immer interessante Begegnungen und Erfahrungen.

3 schätze: Gibt es hierzu eine Anekdote, eine besondere oder außergewöhnliche Situation über die Du berichten kannst?

Heisan: Die Art der Rezitation im Rinzai-Zen hat mich stark beeindruckt. Die Zeremonie hat zweimal täglich mit sechs oder sieben verschiedenen Texten und mehrfachen Wiederholungen über 45 Minuten stattgefunden. Dabei hat das Tempo mit jeder Wiederholung zugenommen, was eine starke Konzentration und Energie erzeugte, ähnlich der Kito-Zeremonie im Soto. Ich habe das Hakuin Sutra, das Hakuin Zenji Zazen Wasan, das es so im Soto nicht gibt, auf Grund seines Rhythmus und seiner Energie, aber auch auf Grund seiner Aussagen sehr zu schätzen gelernt.

3 schätze: Die Antworten Deiner Interviewpartner*innen sind teilweise recht unterschiedlich. Am Ende des Trailers sagst Du, sie entstammen der selben Essenz. Wie würdest Du die Essenz des Zen beschreiben?

Heisan: Wenn ich sage, dass alle Antworten aus der selben Essenz stammen, meine ich damit nicht die Essenz des Zen. Damit pressen wir die Wirklichkeit doch wieder nur in ein Konzept. Es ist die Essenz des Lebens, das von Augenblick zu Augenblick geschieht. Man kann diese Essenz nicht auf ein Wort wie Zen reduzieren, noch könnte ich sie dir mit Worten beschreiben.

3 schätze: Du bist, zumindest in unserer Zen-Linie, einer der wenigen, die stark auch mit modernen Medien arbeiten. So hast Du über Deinen YouTube-Kanal schon viele Videos und Anleitungen zur Zen-Praxis verbreitet. Gleichzeitig leitest Du auch eine Zen-Gruppe und bietest Zen-Tage und Sesshins an. Magst Du dazu etwas erzählen?

Heisan: Auweia, ja der YouTube-Kanal [Lachen]. Nach meiner Mönchsordination 2018 war da eine unglaubliche Energie die mich getragen und geleitet hat. Da ich auf einem kleinen Dorf wohne und nicht die Einwohnerzahl habe, um ein Dojo oder eine größere Gruppe aufzubauen, entstanden neue Wege, die Praxis an andere Menschen weiterzugeben oder zugänglich zu machen.

Anfang 2019 fiel die Entscheidung, dieses Jahr vollständig dem Zen-Weg zu widmen und ich hatte mich dazu weitestgehend aus beruflichen Aktivitäten zurückgezogen. Es war ein spirituelles Jahr oder Sabbatical wie man es heute nennt. Das Filmprojekt „Blueprints for Zen-Practice“ war ein Bestandteil davon. Die Videos in meinem YouTube-Kanal als auch die Sesshins und Zen-Tage, bei denen die Videos entstanden sind, war ein weiterer Punkt.

Außerdem kursieren nach wie vor so viele verrückte Ideen über Zen und die Praxis des Zazen, wie zum Beispiel, dass man seine Gedanken zum Stillstand bringen oder Schmerzen während Zazen aushalten müsste, um irgendwelche Bewusstseinserfahrungen zu machen. Auf Sesshins habe ich immer wieder Teilnehmer erlebt, die Schmerzmittel eingenommen haben, um die Schmerzen in den Knien zu unterdrücken und durchzuhalten. Diese Punkte waren wohl der erste Impuls mit den Videos zu starten.

Gerade in der heutigen Zeit kann ein spiritueller Weg wie der des Zen, der auf einer jahrtausende alten Tradition beruht, Menschen helfen sich mit sich selbst und ihrem Leben auseinander zu setzen. Zen kann den Menschen in Krisenzeiten Hoffnung schenken und die Akzeptanz fördern, die Dinge für den Augenblick so sein lassen zu können, wie sie nun einmal sind.

Was nicht heißt, dass wir lethargisch alles akzeptieren und annehmen sollen. Vielmehr ist es auch ein Akzeptieren des „nicht-akzeptieren-könnens“ und ein ins Handeln kommen zum Wohle anderer und getragen durch Mitgefühl. Aus meiner Sicht ist der Zen-Weg ein sehr aktiver, lebensbejahender Weg der spirituellen Praxis, der uns hilft uns selbst besser kennen zu lernen und uns schlussendlich die Erfahrung schenken kann, dass wir bereits sind wonach wir suchen, ohne es jemals finden zu können.

3 schätze: Der Film erscheint 2020 ebenfalls auf Deinem YouTube-Kanal, kostenlos für alle, die mehr über Zen und die Praxis des Zen erfahren wollen. Wird es auch eine DVD geben?

Heisan: Bisher ist noch keine DVD geplant, da der Film, wie du schon sagst, kostenlos auf YouTube erscheinen wird. Was aber ein weiteres Projekt sein wird, ist das Buch zum Film.

Leider mussten die Antworten vieler Lehrer und Lehrerinnen für den Film geschnitten und gekürzt werden. Aus diesem Grund suche ich aktuell noch nach Menschen, die einzelne Interviews gerne abtippen möchten und so zu diesem Buchprojekt beitragen wollen. Da ein solches Projekt nicht nur vom persönlichen Engagement getragen wird, benötigen wir darüber hinaus auch finananzielle Unterstützung. Die Korrektur und das Lektorat zum Beispiel sind ziemlich kostspielig.

3 schätze: Du hast ja bereits einige Bücher zum Thema Zen geschrieben. Magst Du dazu etwas sagen?

Heisan: Gerne. Das erste Buch „Zen – Erleuchtung und andere Missverständnisse“ beinhaltet die gesammelten Tagebücher der ersten 10 Jahre meines eigenen Zen-Wegs. In diesem Sinne habe ich also kein Buch geschrieben, sondern lediglich meine Tagebucheinträge abgetippt. Es entstand aus dem Wunsch heraus, dass ich selbst zu Beginn meines Weges gerne ein solches Buch gelesen hätte und der Aufforderung eines befreundeten Mönchs, der mir, nachdem er mein erstes Tagebuch gelesen hatte, sagte: „Das sollten möglichst viele Zen-Einsteiger lesen.“ Ungeschönt und authentisch beschreibe ich darin, in welchen wirren Gedanken ich mich selbst zu Beginn regelmäßig verheddert habe und die Missverständnisse und Illusionen, denen wir auf dem Weg begegnen können.

Aus den Tagebucheinträgen bzw. den Gedichten, die im Laufe der Zeit entstanden sind, versehen mit einem kurzen Text, entstand dann auch das Buch „Der Geschmack des Schattens einer Pflaume“.

Das Buch „Die Wahrheit des Seins“ ist mein kläglicher Versuch, das was ich im Zen für mich als wahr erkannt habe, auf irgendeine Weise in Worte zu fassen. Es beinhaltet auf wenigen Seiten kurze Texte zu bestimmten Themen des Lebens. Dabei erhebt es natürlich nicht den Anspruch auf Vollständigkeit oder Wahrheit, aber es kann die eigene Praxis durchaus bereichern.

Das bisher letzte Buch „Zazen – Weil´s besser ist als rumsitzen und gar nichts tun“ entstand aus einer Sammlung von Blog-Artikeln und Beiträgen, die im Laufe der Zeit auf meiner Website entstanden sind.

3 schätze: Möchtest Du zum Abschluss noch etwas sagen?

Heisan: Ich bedanke mich von Herzen bei allen Lehrern und Lehrerinnen für die Teilnahme an diesem Projekt und für ihre Unterweisung und ihr Handeln in der Welt. Auch allen Menschen, die dieses Filmprojekt bisher finanziell mitgetragen haben und durch Spenden den Film und das Buchprojekt möglich machen, möchte ich von Herzen danken. Nicht zuletzt gebührt mein Dank aber auch meiner Frau und meiner Familie, die mich darin unterstützt haben, dieses Filmprojekt überhaupt möglich zu machen und mir die Zeit gaben, die verschiedenen Lehrer und Lehrerinnen zu besuchen. Ich hoffe mit diesem Film einen kleinen Beitrag zur Verbreitung der Zen-Praxis leisten zu können.

3 schätze: Herzlichen Dank für dieses Interview.

Infos und Kontakt: www.blueprints-zen.info

Wenn Ihr Heisan in seiner Praxis und Weitergabe unterstützen möchtet, freut er sich über Spenden.

Den gesamten Film könnt Ihr hier ansehen.

Dieses Interview wird gleichzeitig auf der Webseite des San Bo Dojo veröffentlicht.

Im Körper sein, heißt im Geist sein

Dieses Interview mit Bill Kwong – Jakusho Kwong-Roshi (B) wird gleichzeitig im Blog des San Bo Dojo veröffentlicht. Bill Kwong Roshi erzählt darin von seiner Begegnung mit der Sensory Awareness Pionierin Charlotte Selver, über den Einfluss, den Sensory Awareness auf seine Zen Praxis hat, und über die letztendliche Einheit von Form und Lebendigkeit.

Stefan Laeng (S) führte das Gespräch im Rahmen des Charlotte Selver Oral History and Book Project anlässlich eines Besuches im Sonoma Mountain Zen Center.

S: Erzähl uns doch etwas zum Hintergrund und wie du Charlotte Selver zum ersten Mal getroffen hast.

B: Das kam durch das San Francisco Zen Center, durch Suzuki Roshi. Die beiden trafen sich und brannten sofort für einander. Ich selbst war eher ein sehr verkrampfter Schüler.

S: Damals warst du also ein Schüler von Suzuki Roshi?

B: Oh, sicher. Und dann habe ich heimlich gedacht, vielleicht sollte ich einen Kurs bei  ihr besuchen und fühlte mich dabei, als hätte ich Suzuki Roshi verraten. So war ich damals. Schließlich sagte ich es Roshi und zu meiner Erleichterung war es für ihn überhaupt kein Problem. Also traf ich sie durch ihn, wer auch immer sie dazu gebracht hat, Suzuki Roshi zu treffen, ich weiß nicht genau, wie das passiert ist.

S: Es kam durch Richard Baker.

B: Oh, Baker Roshi, natürlich. Charlotte und Suzuki Roshi haben zusammen Workshops gemacht, wo sie ihre völlig neue Methode vorgestellt hat. Es war großartig für mich, vor allem, weil ich so angespannt war. Ich konnte mich nicht ausdrücken; ich wollte nicht reden. Als Charlotte kam, brach etwas in mir auf. Weißt du, es war nur Berühren und Spüren, aber es öffnete sich mir eine Tür. Mein Körper war damals so angespannt und deshalb war dieses Sinnesgewahrsein für mich sehr wichtig, um mit der Angst und einer ganzen Reihe von Dingen umzugehen. Ich habe dann einen Workshop von Charlotte in der Stadt besucht, einen sechswöchigen Kurs. Es war grossartig.

S: Weißt du mehr von der Verbindung von Charlotte und Suzuki Roshi?

B: Genau weiß ich es nicht aber ich konnte spüren, dass es eine tiefe Verbindung zwischen den beiden gab, indem wie sie sich ansahen und wie sie miteinander arbeiteten. Es ist irgendwie sehr selten und wunderbar, weil sie aus Europa kam und er aus Asien und es trotz der unterschiedlichen Kulturen, gar kein Problem war. Es war wie ein Körper und ein Geist. Kennst du das Drala Prinzip?

S: Nein, nie gehört…

Da Selbst und Universum nicht getrennt sind, ist es nicht nur das Selbst, das etwas tut, sondern das ganze Universum.

B: Es bezieht sich auf eine Lehre, die Chögyam Trungpa in den letzten zehn Jahren seines Lebens unterwiesen hat. Drala ist die elementare Präsenz der Welt, die uns durch Sinneswahrnehmungen zur Verfügung steht. Es geht um Vertrauen und Energie.

Ich bin sicher, Charlotte wusste das. Sie stand mit ihrem Körper und ihrem Geist in Kontakt und es gab eine Energie, die strahlte. Die Dralas sind die der Welt zugrundeliegende Weisheit und Kraft die, wie alles im Buddhismus, sowohl in dir als auch in der Umgebung sind. Die Heiligkeit der Umgebung; die Heiligkeit dieses einen Körpers. Es ist das Vertrauen in sich selbst und in die Umgebung als eine Einheit. Da Selbst und Universum nicht getrennt sind, ist es nicht nur das Selbst, das etwas tut, sondern das ganze Universum.

Ich finde das sehr interessant und ich bin sicher, dass Charlotte damit arbeitete, denn es ist ein universelles Prinzip. Wenn Charlotte arbeitete, hatte sie diese Energie. Sie war eine Übertragung dieser Energie. Und das ist es, was sie weitergab, ihre Lebenskraft.

S: Erinnerst du dich an dein erstes Treffen mit Charlotte?

B: Ja, ich hatte große Angst. Ich hatte Angst, dass ich einen Fehler machen würde. Ich war sehr verletzlich und natürlich passierten die Fehler sowieso. Gleichzeitig gab es diese Einsichten. Wenn wir z.B. einen Ball von einer Hand in die andere warfen. Wir haben ihn immer gefangen, weil wir einfach so konditioniert sind. Dann sagte Charlotte: „Schließt die Augen“ und wir fingen ihn immer noch. Und dann sagte sie, „jetzt den Ball verfehlen“, und dann ging etwas in mir auf. Es war nicht verbal aber ich erinnere mich daran. Habt ihr das auch gemacht?

S: Ja, aber kann mich nicht erinnern, dass wir mit geschlossenen Augen versuchten. Aber das ist das Wunderbare an unserer Arbeit, dass wir einfach spontan etwas erfinden können, was im Moment passt.

B: Ja, genau. Also, das sind Dinge, an die ich mich erinnere…

S: Warst Du im Zen-Zentrum in der Stadt oder auch in Tassajara?

B: Nein, das war das San Francisco Zen Center. Charlotte kam, nachdem Baker Roshi sie getroffen hatte. Aber das war später. Davor gab es die erste kleine Gruppe, aus drei bis vier Personen. Ich glaube, ich bin der einzige, der noch lebt. Als Charlotte dann kam, waren es vielleicht zwölf. Ich erinnere mich nicht genau, ob es alle Zen-Schüler waren…

S: Hat sie auch hier oben etwas angeboten?

B: Oh ja! Wir hatten hier oben einen Workshop. Ein „Zenefit“ nannte ich ich das. Im Büro sind die Poster. Charlottes Bild und vielleicht auch ihr Mann Charles Brooks sind drauf. Er war ein guter Lehrer. Sie versuchten, uns zu helfen, Geld für den Aufbau zu sammeln.

S: Seit wann bist du hier oben?

B: Puh, ich fange an, Dinge zu vergessen. 1973? Ich weiß nicht genau.

S: Du warst schon früh ein Schüler von Suzuki Roshi?

B: Oh ja, 1960. Wir waren die erste Gruppe.

S: Woher wusstest du von ihm oder wie hast du von ihm gehört?

B: Ich erinnere mich, dass ich mich für Zen interessierte, aber damals konntest Du das Wort „Zen“ noch nicht im Wörterbuch finden und es gab zu dieser Zeit auch kaum Bücher. Aber in einem Artikel einer Zeitung wurde Suzuki Roshi die Frage nach der „Freiheit“ gestellt. Der Interviewer fragte, warum halten Sie einen Vogel in einem Käfig? Suzuki Roshi stand daraufhin auf und öffnete den Käfig und der Vogel flog hinaus. Das hat mich wirklich beeindruckt. Also gingen wir zum Tempel; ich war ein Beatnik – schwarze, schmutzige Kleidung usw. Es gab im Tempel keine Zafus oder Tatamis; es gab Bänke, genau wie in einer Kirche, weil es im Grunde genommen für die japanische Gemeinschaft in San Francisco gedacht war. Dann kam Suzuki Roshi durch eine andere Tür herein. Er sah mich nicht an und ich sah ihn nicht an. Ich hatte also all diese Samurai-Filme gesehen …

S: Und du hast etwas ganz anderes erwartet (beide lachen).

B: Er ging zum Altar und ordnete die Blumen neu, das war alles, was er tat. Ich fand das total spießig und bin gegangen. Ich hatte auch meine Schuhe nicht ausgezogen oder so, ich hatte Stiefel an. Auf dem Heimweg fand ich dann dieses riesige Bild des Kamakura Buddha, das da einfach an der Strasse stand, und nahm es mit nach Hause. Es muss an Buddhas Geburtstag gewesen sein oder so um diese Zeit. Ich nahm es also mit nach Hause und wollte es in einem Schrank wegstecken, aber es passte nicht und so habe ich es im Flur aufgehängt. Wir lebten gleich um die Ecke und ich denke, dass mich das Bild zurück in den Tempel gebracht hat, um mit dem Sitzen zu beginnen.

S: Du bist also zurückgegangen.

B: Ja, ich bin zurückgegangen (lacht). Zum Glück!

Im Körper sein, heisst im Geist sein; und im Geist sein, heisst im Körper sein.

S: Erinnerst du dich, welche Rolle Charlotte im Zen-Zentrum gespielt hat?

B: Ich weiß nicht genau aber mich hat sie in meinen Körper gebracht. Ich konnte den Stress erkennen, der sich in meiner Haltung ausdrückte. Im Zen sind Körper und Geist immer eins – sie sind nicht getrennt. Im Körper sein heisst also im Geist sein; und im Geist sein, heisst im Körper sein. Das war ein großes Geschenk, denn ich denke, in der westlichen Kultur sind sie gespalten – der Körper und der Geist sind zwei verschiedene Dinge. Doch für mich hat Charlotte es wieder zusammengeführt. – So kannst Du wirklich in Zazen einsteigen. Der Körper wird etwas weicher, wenn man spürt, wo man festhält.

S: Ja.

B: Und natürlich war ihre Anwesenheit für mich einfach immer erhellend. Diese Energie. Du wusstest, da war etwas.

S: Und jetzt, nach all diesen Jahren? Beeinflusst dich das noch?

B: Ja. Ich versuche, mich daran zu erinnern, wenn ich meine Hand so (verkrampft) halte und frage mich – warum mache ich das, entspann dich einfach.

S: Für mich ist es so faszinierend, dass die beiden zusammenkamen, weil es bei Zen auf den ersten Blick so sehr um die Form geht. Charlotte hat, in gewisser Weise, all diese Formen und Rituale aufgegeben.

B: Ja, es gibt eine Menge Form und Rituale, aber es ist nicht das, wonach es aussieht, sondern wirklich befreiend. Es ist nicht von Menschen gemacht (lacht), nicht aufgezwungen, wie in der Armee oder beim Militär. Man könnte es so verstehen aber so ist es überhaupt nicht. Suzuki Roshi’s Körper war sehr weich. Er hat lange geübt und nach vielen, vielen Jahren wird der Körper weicher und weicher. Anfangs ist es vielleicht sehr starr. Charlotte half uns, diese Starrheit zu beseitigen und sie zu mildern. Es sieht formal aus aber wenn man wirklich in die Form kommt, geht es darüber hinaus. Man könnte meinen, ihre Arbeit wäre formlos und auf der anderen Seite wäre die Form, doch eigentlich ist es beides gleich.

S: Ja, das glaube ich auch.

B: Im Wesentlichen, ja. Wenn es wirklich Differenzen gäbe, würden sie sich nicht aufeinander beziehen.

S: Das denke ich auch. Trotzdem ist es zuerst überraschend. Wenn man dann tiefer geht, ist es überhaupt nicht verwunderlich. Sie passen wirklich zusammen. Nun, es ist schon erstaunlich, dass Charlotte in Deutschland wahrscheinlich nichts von Zen gehört hätte, wenn sie weiter dort gelebt hätte. Ihre erste Begegnung mit Zen war…

B: Durch Dürckheim?

S: Nein, nein. Zwar kannte sie Graf Dürkheim in Deutschland, aber das war lange bevor er nach Japan ging. Nein, eine Tante in San Francisco schickte ihr ein Buch von Alan Watts und sagte, der schreibt über das, was du tust.

B: Oh, du meinst „Geist des Zen“?

S: Ja, so hörte sie zum ersten Mal von Zen. Sie las dieses Buch und war sehr angetan von ihm. Also ging sie nach San Francisco, um ihn zu treffen und mit ihm zu sprechen.

B: Und was war ihr Eindruck?

S: Sie traf ihn und er hatte diese Kalligraphie im Hintergrund, und – so erzählte sie das immer – sie fragte Alan Watts, was das bedeutet. Alan Watts antwortete, es bedeutet „Berge sind Berge“. Und Charlotte lachte und sagte, natürlich sind Berge Berge. Alan Watts darauf: “Nein. Im Zen sind Berge erst Berge, dann aber muss alles in Stücke zerfallen, bevor Berge wieder zu Bergen werden.“

B: Das hat ihr bestimmt gefallen!

S: Ja, sie wurden sehr enge Freunde und haben viele Jahre lang gemeinsam Workshops durchgeführt. Normalerweise war es dann so, dass er erst einen Vortrag hielt und sie dann eine Session gab.

B: Eigentlich waren sie ziemlich komplementär, weil er sehr im Kopf war.

S: Ja. Und Alan hat ihr in gewisser Weise auch wirklich geholfen. Er war derjenige, der sie von New York nach Kalifornien holte. Zuerst nach Los Angeles und dann auch nach San Francisco.

B: Für eine Rückkehr nach Deutschland war es wohl zu früh und Kalifornien war genau der richtige Ort.

S: Charlotte ist sehr lange nicht nach Deutschland zurückgekehrt, um zu unterrichten, nicht bis in die 80er Jahre. Nun aber wieder zu Dir. Du bist schließlich irgendwann vom Zen-Zentrum fortgegangen.

B: Oh, ja, nachdem Suzuki Roshi 1971 gestorben war, schien es Zeit für mich zu gehen. Ich war zehn Jahre dort gewesen und nun schien es so, als gäbe es keinen Platz mehr für mich im Zen-Zentrum. Es waren sehr schwierige Zeiten und ich beschloss einfach wegzugehen und vielleicht irgendwo anders zu sitzen. Ich hatte keine Ahnung, dass Sonoma Mountain Zen Center entstehen würde.

S: Wie schön. Aber du bist mit Charlotte in Kontakt geblieben, ja? Sie kam später einmal hier hoch zu Euch?

B: Ja, aber zunächst gab es eine Menge Arbeit. Dieses Haus sah vorher nicht so aus wie jetzt. Ich meine (lacht), es könnte sicherlich noch etwas mehr Arbeit brauchen, aber damals konnte es passieren, dass wir einfach nur den Flur entlang gingen und die Füße meiner Kinder durch den Boden brachen. Es gab tatsächlich eine ungeheure Menge Arbeit, um – ohne Geld – das Haus und die Scheune, wo das Zendo jetzt ist, aufzubauen. Es war wie unser Testgelände. Nun, wir hatten schon ein Testgelände, bevor wir überhaupt hierher kamen.

S: Und wo war das?

B: Ein anderer Ort aber wir haben ihn verloren. Weil wir eigentlich hier sein sollten. Das ist der Ort. Zunächst waren wir eine kleine Gruppe und in den 36 Jahren, in denen wir jetzt hier sind, sind wir gewachsen, wir sind wieder geschrumpft und gerade jetzt sind wir wieder in einer Zeit der Expansion.

S: Ich sehe nicht viele jüngere Leute bei den Buddhisten im Westen. Werden wir bald wieder aussterben?

B: Naja, da kommen schon neue nach jetzt bei uns. Aber es kann auch zu gross werden. Wieviel ist genug? Zwölf? Ich weiss nicht. Wichtig ist, dass die Linie fortbesteht, egal ob es sich um eine kleine oder große Gemeinschaft handelt. Ich bevorzuge eher eine kleine Gemeinschaft, weil man sehen kann, was die Leute machen und wie sie sich entwickeln.

S: Ich verstehe, was du meinst. Natürlich kam nach Charlottes Tod, und eigentlich auch schon früher, für uns diese Frage ebenfalls auf. Wie geht es weiter oder was ist es, das weitergeht? Charlotte war Charlotte, und keiner von uns kann Charlotte sein.

B: Ja, das ist gut zu wissen, denn wenn du es versuchst, wirst du scheitern. Ich habe es versucht.

S: Du hast versucht, Suzuki Roshi zu sein?

B: Oder einfach irgendetwas zu sein, ja. Aber für mich war es schwer, weil ich nicht einmal ich selbst war. Ich dachte, ich müsste ein Lehrer werden, bevor ich ich selbst wurde. So hatte ich 36 harte Jahre. Möglicherweise habe ich deshalb Krebs bekommen.

S: Oh, du hattest Krebs?

B: Ja, aber es war ein guter Krebs, das heisst, er hat sich nicht ausgebreitet. Das war 1976; ich hatte wirklich Glück.

S: Hat dir das geholfen, dich selbst zu finden?

B: Ich denke schon. Manche Leute brauchen dafür keinen Krebs aber jeder muss durch seine eigene Evolution, seinen eigenen Prozess.

S: Nun, das trifft sicherlich für mich zu. Ich bin dieser Arbeit und natürlich Charlotte seit vielen, vielen Jahren sehr verbunden. Und ich wollte immer ein Lehrer sein. Solche Fragen kommen bei mir auch auf. Ich mag, was du gesagt hast, erst man selbst zu werden, bevor man ein Lehrer wird.

B: Ich tat es aber eben anders rum und versuchte, makellos zu sein, aber Suzuki Roshi sah trotzdem alle meine Fehler. Also habe ich versucht, mir besonders viel Mühe zu geben. Als wir dann später hierher kamen, waren meine Frau und nicht wirklich die Art von Menschen, die es verstanden hätten, eine Organisation zu leiten. Wir sind eher so Künstlertypen. Ich nahm an, dass die Menschen hierher kamen, weil sie praktizieren wollten, aber sie kamen einfach nur hierher und hingen herum. Wir hatten keinen Zeitplan. Ich saß und ich saß allein. Und das hat mir irgendwie geholfen, gelöster zu werden. Mir fiel es schwer zu sagen: „Das kannst hier nicht einfach herumhängen.” Ich hatte nicht das Selbstvertrauen oder ein Gefühl der Autorität. Ich dachte, die Leute würden einfach von selbst zum Üben inspiriert, so wie ich, als ich hierher gekommen bin. Das war also eine große Lektion für mich.

S: Gestern habe ich mit Ed Brown gesprochen. Interessanterweise erwähnte er einige der gleichen Dinge, dass wir es immer richtig machen wollten.

B: Ja, genau.

S: Und so machen wir dann halt auf Form, wollen sein wie die Zen-Meister aber im Inneren herrscht vielleicht Chaos und alles fällt auseinander. Naja, und wie kann man dann auseinanderfallen ohne in Stücke zu gehen? Ich denke, das ist in gewisser Weise eine andere Art zu sagen, dass man sich wirklich selbst findet. Wenn wir allerdings perfekt sein wollen, ist das wirklich schwer.

B: Ja, aber das ist Teil des Prozesses. Dieser Konflikt bezüglich der Form und im Inneren bist du ein Chaos. Es ist Teil des Prozesses, die beiden zusammenzubringen. Das ist dann kein Glaube mehr, es kommt eher aus dem Bauch heraus.

S: Hast Du noch andere Erinnerungen an Charlotte?

B: Ich erinnere mich nur an ihr Lächeln und ihre Ausstrahlung. Wir hatten nicht sehr viele lange Gespräche. Ich schätze, dass ich damals nicht die Art von Person war, die lange Gespräche mit Menschen führte. Ich habe kaum geredet. So hatten wir eher eine sensorische, fühlende, Beziehung. Genau wie mit Trungpa, da habe ich auch nicht viel gesagt; mit Suzuki Roshi habe ich nicht viel gesagt und trotzdem gab es eine sehr tiefe Verbindung.

S: Du warst auch ein Schüler von Chögyam Trungpa?

B: Ich war kein Schüler von ihm aber als Suzuki Roshi starb – Trungpa traf Roshi nur viermal aber er hatte das Gefühl, seine Lehrer aus Tibet zu treffen. Es ist dasselbe Gefühl, jenseits der Tradition. Ob es nun ein koreanischer Zen-Meister, ein japanischer Zen-Meister oder ein tibetischer Lama, ein Rinpoche ist, es ist das gleiche Gefühl, was wirklich schön ist. Alan Ginsberg hat mich mit Trungpa bekannt gemacht und Trungpa hat dann begonnen, mich an’s Naropa Institute in Boulder, Colorado, einzuladen. Es war eine Ehre, da zu lehren, aber auch eine grosse Herausforderung. Man wusste nie, was er als nächstes sagen oder tun würde.

S: Beeinflusst er deine Arbeit hier?

B: Ja, ich denke schon, wir haben hier eine Stupa für ihn und es gibt z.B. jedes Jahr ein Drala-Program. Wir kamen uns schon sehr nahe – es waren unsere Brüder und Schwestern. Wir konnten diese Erfahrung machen, weil wir außerhalb des Zen-Zentrums waren und so die Möglichkeit hatten, viele verschiedene Menschen aus verschiedenen Traditionen kennenzulernen. Es ging nicht nur darum, sie zu lesen und dann ihre Methode zu übernehmen, sondern es ging darum, sie persönlich zu treffen und zu erfahren, dass es keine Grenzen gibt. Das war wirklich inspirierend.

S: Es ist schön zu sehen, wie sich diese verschiedenen Traditionen begegnen.

B: Ja.

S: Sehr schön. Ich denke, das reicht für heute. Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast.

B: Es war mir eine Ehre. Wenn Suzuki Roshi etwas nettes über jemanden sagen wollte, dann sagte er gerne: „Es ist mehr, als ich sagen kann und es ist mehr, als du hören kannst.” Ich mag das sehr. Das ist für Charlotte.

Bill Kwong – Jakusho Kwong-Roshi (B) – ist Gründer und Abt des Sonoma Mountain Zen Centers in Santa Rosa, Kalifornien. Er war ab 1959 einer der ersten Schüler von Shunryu Suzuki in San Francisco, wo er Mitte der 60er-Jahre auch die Sensory Awareness Lehrerin Charlotte Selver kennenlernte. Nach Suzuki’s Tod verliess Bill Kwong das aufblühende San Francisco Zen Center, um in seinem Geburtsort ein eigenes Zentrum aufzubauen, das er noch heute zusammen mit seinem Sohn Nyoze Demian Kwong leitet.

Mehr über Bill Kwong und Sonoma Mountain Zen Center erfahrt Ihr hier

Stefan Laeng praktiziert Sensory Awareness und verwandte Arbeiten seit 1980. Er studierte mit LehrerInnen in der Schweiz und den USA. Mit Charlotte Selver arbeitete er von 1991 bis zu ihrem Tod 2003 intensiv zusammen, als Schüler wie auch in gemeinsamen Kursen. Er erhielt von ihr 1996 die Lehrberechtigung. Buddhistische Meditation und Philosophie bilden seit den frühen 80er Jahren eine Grundlage seiner Arbeit und seines Lebens. Er ist Executive Manager der Sensory Awareness Foundation und bietet sowohl Einzel- als auch Gruppenunterricht und Workshops an. Er arbeitet zur Zeit an einem Oral History und Buchprojekt über Leben und Wirken von Charlotte Selver. Stefan lebt in Hancock, New Hampshire, USA.

Weitere Infos: www.mindfulnessinmotion.net

Zen und Sensory Awareness Workshop mit Stefan Laeng und Ungan Nicole Baden Sensei

Wie Ihr vielleicht wisst, liegen mir Zen und Sensory Awareness sehr am Herzen. So möchte ich an dieser Stelle auf einen  Workshop hinweisen, der im Rahmen des eindrucksvollen Zen Zentrum Johanneshof Quellenweg eine Gelegenheit bietet, die Verwandtschaft von Zen und Sensory Awareness kennenzulernen bzw. zu vertiefen.

Das Zen Zentrum Johanneshof Quellenweg wurde 1996 von Zentatsu Baker Roshi gegründet. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Johanneshof schon eine bemerkenswerte Geschichte hinter sich: Als Künstleratelier, anthroposophisches Kinderheim und später, von 1976 bis 1996, als Meditationszentrum der Rütte-Schule von Graf Dürckheim, dem Begründer der Initiatischen Therapie, hatte sich der Johanneshof im Hotzenwald seinen Ruf als spiritueller Ort bereits verdient. Baker Roshi hat übrigens zu Lebzeiten von Charlotte Selver mit ihr Sensory Awareness praktiziert und ist dieser Form der Achtsamkeitsarbeit sehr zugetan.

Der Workshop wird Anteile klassischer Zen-Praxis sowie Workshopanteile von Sensory Awareness enthalten. In dieser Zeit können die Teilnehmenden ihre Erfahrungen in Stille, Bewegung und Begegnung vertiefen.

Unser Wohlbefinden beruht auf der Bereitschaft, anwesend und veränderungsbereit zu sein. Dieses Wohlbefinden wird durch Widerstand gegen Veränderungen und Festhalten an Gewohntem gestört. Jeder Augenblick ist eine Chance, vermeindliche Sicherheiten hinter uns zu lassen und Schritte ins Offene zu wagen, um Fragen zu stellen, anstatt Antworten zu suchen. Während Zen uns eine ausgereifte Form vorgibt, in der wir uns erforschen und die wir mit Leben füllen, läßt Sensory Awareness vorgegebene Formen bzw. gesicherte Erkenntnisse erstmal hinter sich und fordert uns auf, der Welt in ihrem SoSein zu begegnen. Die immer wieder neue und lebendige Erfahrung durch die Sinne eröffnet uns den Weg zu einem Lernen des Körpers und kann uns von Mustern des „Einrastens“ oder „Einfrierens“ im Zazen lösen.

Stefan Laeng ist Direktor der Sensory Awareness Foundation. Er praktiziert Sensory Awareness und verwandte Ansätze seit 1980. Mit Charlotte Selver arbeitete er von 1991 bis zu ihrem Tod 2003 eng zusammen. Buddhistische Meditation (Zen und Vipassana) und Philosophie bilden seit den frühen 80er Jahren eine Grundlage für Stefans Arbeit und sein Leben. Stefan lebt in Peterborough, New Hampshire, USA und unterrichtet Sensory Awareness in den USA und Europa. Zur Zeit arbeitet er an einer umfassenden Biographie und Oral History über das Leben und Wirken von Charlotte Selver.

Ungan Nicole Baden Sensei ist Dharma Nachfolgerin von Zentatsu Baker Roshi. Sie praktiziert seit 2001 mit der Dharma Sangha. Bis 2009 studierte sie Psychologie an der Universität Oldenburg und absolvierte parallel eine Ausbildung in der körpertherapeutischen Methode Body Mind Centering©. Anschließend lebte sie vier Jahre im Crestone Mountain Zen Center in Colorado, USA und ist seit 2013 im Johanneshof-Quellenweg. Sie ist als Direktorin für die organisatorische Leitung des Zen Zentrums Johanneshof-Quellenweg zuständig. Während des Workshops wird sie die Zen Einheiten anleiten.

Termin: 16.05. – 19.05.2019
Ort: Zen Zentrum Johanneshof Quellenweg, Herrischried (Schwarzwald)
Infos und Anmeldungen: www.dharma-sangha.de oder www.zen-bonn.de

„Als Bodhidharma einer Berliner Gymnastiklehrerin begegnete“

Einen Artikel von Stefan Laeng, aus der Buddhismus Aktuell 03/2018, in dem er sehr schön die Verwandtschaft von Zen und Sensory Awareness sowie die fruchtbaren Begegnungen von Charlotte Selver und Alan Watts, Shunryu Suzuki, Richard Baker und anderen aufzeigt findet Ihr unter: https://buddhismus-aktuell.de/artikel/ausgaben/20183-lebendig/als-bodhidharma-einer-berliner-gymnastiklehrerin-begegnete.html

Weitere Texte/Interviews zu Zen und Sensory Awareness findet Ihr ebenfalls hier im 3 schätze Blog.