Himmel und Hölle

Nach einer ausgedehnten Winterpause, mit viel Ruhe und Erholung, sind die 3 schätze nun auch im neuen Jahr angekommen. Die Weihnachtstage habe ich zunächst mit meiner Familie und meiner Liebsten hier in Bonn verbracht, zum Übergang ins neue Jahr sind wir beide dann Richtung Norden gefahren, haben getanzt (5R), Zazen geübt, eine Schwitzhütte im Wendland besucht und viel geschlafen.

Neben vielen schönen Erlebnissen, gab es in diesem noch jungen Jahr allerdings auch schon vieles, was mich sprachlos und traurig stimmt. So ist vor wenigen Tagen mein langjähriger Freund, Bernd Wolters gestorben. Ohne Vorwarnung ist er morgens einfach Bernd Woltersnicht mehr aufgewacht. Bernd war einer der feinen Menschen in dieser Welt. Er war jemand, der zu seinem Wort stand, mit dem man immer viel Blödsinn aber auch Tiefschürfendes reden konnte und der, abgesehen von gelegentlichen Temposteigerungen, den Takt halten konnte. In den letzten Jahren spielten wir zusammen bei der Band REPEATER, einem Fugazi Coverprojekt. Das letzte Mal als ich Bernd sah, standen wir zusammen auf der Bühne und diese Momente werden immer eine wunderbare Erinnerung bleiben. Bernd hinterläßt seine Frau und seine drei Kinder, denen mein Mitgefühl gilt. Ich verneige mich tief.

Nur zwei Tage nach diesem schmerzlichen Verlust, erschütterte dann die Nachricht über das Attentat auf Charlie Hebdo in Paris die Welt und nach ein paar Tagen des Schocks, hatte ich mich wie viele andere daran gemacht, meine Fragen und Sorgen aufzuschreiben. Wie weit werden Menschen in ihrer Verblendung noch gehen, wie weit werden Hass und Terror die Gesellschaft spalten, ob nun von Seiten islamistischer oder rechter Extremisten? Und wenn wir jetzt alle Charlie sind, wer ist dann die 2.000 Terror-Opfer in Baga, Nigeria? Im Falle von Al Quaida, ISIS, Boko-Haram und wie sie alle heißen, frage ich mich, wie diese Leute immer wieder die Religion missbrauchen können, um ihre Taten zu motivieren? Welcher Gott, welcher Prophet kann sich ernsthaft aus Humorlosigkeit, Angst, Gekränktheit oder anderen Gründen für das eine und gegen das andere stellen und irgend eine Form des Krieges gutheißen? Krieg und Terror im Namen einer Religion hatte nie etwas mit dem Glauben, sondern immer mit Macht und Manipulation auf der einen und vielleicht Perspektivlosigkeit auf der anderen Seite zu tun.

Momentan ist mir jedoch eher nach Rückzug und Stille und so zweifle ich zwischendurch immer mal wieder daran, ob ich diese Zeilen überhaupt verbreiten sollte oder nicht. In den Medien und Sozialen Netzwerken gibt es wie so oft eine Welle von Spekulationen, Kommentaren und Analysen, leider häufig auch Angriffe und Verletzungen, die aus der Anonymität  in den Raum geblasen werden. Wem nützt das? Solche Form der „Auseinandersetzung“ hält den Krieg in unseren Köpfen lebendig und ich wünsche mir manchmal einen Schalter, mit dem ich alle Medien abschalten könnte.

Zen-Meister Suzuki sagte einmal „Es reicht aus, eine Ecke dieser Welt zu erhellen“. Verlangsamung, Ruhe und wirkliches Zuhören gehören meiner Meinung nach dazu. Sich selbst zuhören, dem eigenen Geist, dem eigenen Körper, dem Atem, dem Herzschlag, das ist für mich Religion. Denn obwohl Zen immer wieder als weder Relgion, noch Philosophie bezeichnet wird, hat die Zen-Praxis für mich etwas tief religiöses. Die Rückkehr zum Ursprung und die Beschäftigung mit der Wirklichkeit der Dinge, sind für mich seit vielen Jahren ein wichtiger Teil meines Lebens. Auf dieser Suche vertraut zu werden mit dem was wir Buddha-Natur, andere Gott oder grossen Geist nennen, ist eine Erfahrung, die nur in Einheit und Verbindung münden kann, nicht aber in Trennung und Gewalt gegen Andersdenkende.

Und hier noch eine kleine Zen-Geschichte:

Eines Tages kam ein grosser, tapferer Samurai zu einem kleinen Mönch. „Mönch“, sagte er mit rauher Stimme, „lehre mich über Himmel und Hölle“.

Der Mönch schaute den mächtigen Krieger an und antwortete stotternd: „Dich über Himmel und Hölle unterweisen? Ich werde Dir gar nichts beibringen. Du bist dreckig. Du stinkst. Dein Schwert ist rostig. Du bist eine einzige Enttäuschung für die Samurai Kaste. Geh mir aus dem Weg“.

Der Samurai tobte. Er begann zu zittern, wurde rot vor Zorn und sprachlos vor Wut. Blitzschnell zog er sein Schwert, hielt es über seinen Kopf, bereit den Mönch zu töten.

„Das ist die Hölle“, sagte der kleine Mönch leise.

Der Samurai war überwältigt von der Hingabe und dem Mitgefühl dieses kleinen Mannes, der bereit war sein Leben zu geben, um ihm die Hölle zu zeigen. Langsam ließ er sein Schwert sinken, erfüllt von Dankbarkeit und Frieden.

„Und das ist der Himmel“, sagte der kleine Mönch leise.

Kurzinterview: Patrick Damschen im Gespräch mit Patrick Damschen

Das J3 schaetze Logoahr neigt sich dem Ende entgegen und wenn es nicht gerade jetzt besonders hektisch wäre, könnte man glatt besinnlich werden und Revue passieren lassen, wie sich die Vision entwickelt hat, mit der das Abenteuer namens 3 schätze gestartet ist. Zeit für ein Selbstgespräch.

Patrick: Seit der Eröffnung des Ladens mitsamt Online-Shop sind nun 1,5 Jahre vergangen. Wenn Du auf diese Zeit zurück schaust, wie fühlst Du Dich?

3 schätze LadenPatrick: In dieser Zeit und natürlich auch schon lange vorher ist etwas gewachsen, was immer wieder mein Herz erfüllt und was mir bis zum heutigen Tag noch nicht einmal langweilig geworden ist. Bisher bin ich noch jeden Tag gerne „zur Arbeit“ gefahren. Es ist ja auch so, dass ich nicht nur die geeigneten Mittel für die Yoga- oder Meditationspraxis verkaufe, sondern bei 3 schätze passiert ja noch viel mehr. Das macht mir wirklich Freude und wenn ich daran denke, wie oft ich dagegen total angefressen war, von meinem ungeliebten Bürojob, bei dem satte 10 Jahre gedauert hatte, bis ich mich davon lösen konnte und den Sprung in etwas Neues gewagt habe. Immer wieder war es die Sicherheit eines geregelten und festen Arbeitsplatzes, für die ich mich entschieden habe  und  natürlich gibt es auch heute immer mal wieder Momente des Zweifelns und der Angst davor, nicht zu wissen wie es weitergehen wird, ob mich die 3 schätze irgendwann auch ernähren werden etc.

Patrick: Das bedeutet, Du kannst von den ganzen Angeboten noch nicht leben?

Patrick: Ehrlich gesagt, wird es zwar Monat für Monat besser, je weiter sich die Kreise ziehen und je mehr Menschen auf mein Angebot aufmerksam werden, aber unter´m Strich kann ich auch nach 1,5 Jahren noch nicht wirklich vom Umsatz des Ladens/Online-Shops leben. Doch auch mit so manchem Fragezeichen habe ich das grosse Vertrauen, das richtige zu tun und auf meine Art etwas zu schaffen, was Menschen bewegt und etwas bewirkt.

Das dem so ist, spüre ich immer wieder durch das Feedback anderer, die an den verschiedenen Angeboten teilnehmen, den Workshops, den Lesungen, der Monk´s Kitchen oder eben zum Einkaufen oder auch nur auf eine Tasse Tee im Laden  vorbeikommen. Manchmal suchen Menschen einfach nur Ruhe oder ein Gespräch über Gott/Buddha und die Welt oder einen einfachen Rat in schwierigen Lebenssituationen.

Patrick: Mit welchen Fragen kommen denn Leute zu Dir?

Patrick: Ich weiß noch, wie eine Frau, einen Tag nach der Eröffnung des Ladens an die Tür klopfte und mich beim Aufräumen erwischte. Sie hatte sich im Tag vertan aber ich war ja da und so bat ich sie herein. Wir hatten uns kaum gesetzt und sie hatte dreimal tief geatmet, da fing sie an zu weinen und erzählte mir von ihren aktuellen Schwierigkeiten. Ich habe zugehört und sie hat mir dann noch beim Abwasch geholfen. Irgendwie wusste ich da, dass ich eben nicht nur einen Laden geöffnet hatte. So gibt es immer wieder Menschen, die durch meine Tür kommen, um zu rasten und etwas zu teilen. Toll war der Moment, als eine Frau in den Laden kam, um mir zu erzählen, das ihre Katze gestorben sei und fragte ob ich wüßte, wo die denn nun wäre. Oder die Frau, die direkt mit ihrer Katze vorbeikam und mich fragte, ob ich mal eben kurz auf die Katze aufpassen könne, da sie sich eine Wohnung anschauen gehen wolle. Es gab einen Augenblick, da wußte ich nicht, ob sie jemals wiederkommen würde oder ob ich jetzt neuer Besitzer einer Katze geworden war. Mit Katzen scheint der Laden sowieso irgendeine Verbindung zu haben, denn ich bekomme regelmäßig Besuch einer schwanzlosen Katze aus der Nachbarschaft, die dann eine Runde im Laden dreht und sich wieder verabschiedet.

Winkekatze-kleinPatrick: Vielleicht liegt es an Deiner Winkekatze im Schaufenster, die ja Glück und Wohlstand hereinbringen soll.

Patrick: Ja, zumindest habe ich mittlerweile schon 11 Cent (€) in und vor dem Laden gefunden.

Patrick: Ich vermute, Du solltest doch bald den Rat eines Freundes umsetzen, die vielen Situationen und Geschichten festzuhalten, die fast täglich für Spannung, Freude, Aufregung und Staunen sorgen.

Patrick: Stimmt, das wäre eine gute Idee. So denke ich besonders gerne an all die vielen Geschichten, die wir schon während der Monk´s Kitchen geteilt haben, z.B. als ein Teilnehmer von seiner Weltumrundung per Fahrrad berichtete, zu der er am nächsten Tag aufbrechen sollte. All das Potential, die Talente, die schon an der grossen Tafel der Mönchs Küche gesessen haben, die Meditations- und Yogalehrer/innen, der Tofu-Macher, die MBCT-Trainerin, der Förderschullehrer, der Couch, die GFK-Trainerin, die Ayurveda Köchin, die Filmausstatterin, die Fotografin und all die vielen anderen berühren mich tatsächlich sehr.

Surabhi-Yoga-Chakra-Duft

Patrick: Und auch die vielen Kooperationen, die sich mit der Zeit ergeben, sind Anlaß zur Freude.

Patrick: Auf jeden Fall. Immer wieder sind Leute bereit, sich mit ihrem Können auf neue Ideen und Projekte einzulassen. Meist geht es da weniger um´s Geld, als um Gemeinschaft und Erfahrungen, die man mit Geld sowieso nicht bezahlen kann. So scheinen die Klangmeditationen mit Samayaa Vidoni und ihren Kristallklangschalen oder die Klangreisen mit Theresia Binder zu einer festen Größe bei 3 schätze zu werden. Oder die Surabhi – Yoga-Chakra-Duft Workshops mit Anja Addis, einer Bonner Yogalehrerin und Uwe Manasse, einem Parfumeur.

Patrick: Wirst Du denn die Zahl der Angebote/Veranstaltungen im kommenden Jahr weiter erhöhen?

Patrick: Ja, ich möchte auf jeden Fall weiterhin Lesungen, wie die mit Frank Berzbach oder dem amerikanischen Zen-Meister, Brad Warner, anzubieten. Für 2014 ist schon eine Lesung mit Dieter Gurkasch geplant, dessen Geschichte die einer Wandlung mit tiefer innerer Einsicht und großer Aus(sen)wirkung ist. Während einer langjährigen Haftzeit hat er mit Yoga ein Instrument gefunden, welches ihm geholfen hat, sein Leben auf positive Weise zu verändern und die daraus gewonnenen Erkenntnisse an andere weiterzugeben. Ich mag es, etwas sperrigere Typen, mit nicht so glatten Biografien einzuladen und freue ich mich darauf schon jetzt besonders. Blog 3

Ebenso möchte ich regelmäßig wechselnde Ausstellungen verschiedener Künstler zeigen, wie von Bas Brader, Ute Faber und aktuell Jens Jansen. Außerdem will ich Filme und Dokumentationen zeigen, sowie zu Teeverkostungen und Teezeremonien einladen.

Ein weiterer Plan ist, im kommenden Jahr „Seminare für Männer“ anzubieten. Gemeinsam mit einem guten Freund möchte ich die Dinge mit anderen Männern teilen, die wir hilfreich finden und die wir seit Jahren praktizieren. Das sind z.B. die Meditation, Taiji, das TanZen, Gewaltfreie Kommunikation (GFK). Dabei wollen wir bei den Seminaren keine Antworten
geben, wann ein Mann ein Mann ist usw., aber es gibt halt nützliche Mittel, um mit sich selbst besser, anders in Kontakt zu kommen. Und manchmal ist es eben besser, auch mal nur mit Männern zusammen zu sein und auf all die Rituale verzichten zu können, die einfach immer wieder ablaufen, wenn auch Frauen dabei sind.

Patrick: Durch die Lage des Ladens, den angrenzenden Kiosk und eine Substitutionsstelle in unmittelbarer Nähe, bist Du aber auch jeden Tag mit einem Ausdruck des Lebens in sehr direktem Kontakt, welcher viel Hoffnungslosigkeit, Schmerz und Verwirrung in sich trägt.

Patrick: Wenn man an Karma glaubt, bzw. dieses Gesetz akzeptiert, dann scheint der ewige Strom an Gestrandeten, Junkies und Alkoholikern, die täglich vor meinem Laden auf und ab laufen, auch ein Spiegel meiner eigenen Geschichte zu sein, vor der ich nicht die Augen verschliessen kann. Zwar gab es bisher noch nie ernsthafte Probleme aber doch Situationen, in denen ich mir schon Sorgen gemacht habe, ob das tägliche Lungern und Feiern, die Lautstärke und auch die Aggression vor meinem Laden, nicht vielleicht Kundschaft abhalten könnte, bei mir einzukaufen.

Immer wiederBei meinem Freund Didi, mit seinen Kumpels und seinem Borussia  Mönchengladbach Auto, habe ich es mit Humor versucht und zu ihm gesagt, „Du bist halt Mönchengladbach und ich bin Mönch in Bonn„. So sind wir, trotz unterschiedlicher Lebensführung, immer irgendwie in Kontakt gewesen und vielleicht ist das an dieser Stelle auch eine meiner Stärken, dass ich diese Welt nämlich in ähnlicher Weise kennengelernt habe. In meiner Punk-Rock Zeit war ich zum Teil eben auch recht heftig unterwegs. Möglicherweise ergibt sich ja irgendwann auch die Gelegenheit, etwas von meiner jetztigen Perspektive und/oder meiner Praxis weiterzugeben.

Patrick: Aber gab es nicht auch Momente, wo Du einfach nur abgenervt warst?

Patrick: Klar, da gab´s auch immer wieder Tage, wo ich relativ hilflos war. Wenn mein Nervenkostüm dann völlig runter war und ich die eigene negative Gedankenspirale durchbrechen wollte, bin ich einfach vor die Tür gegangen und habe Äpfel verteilt. Äpfel statt Bier!

Patrick: Einheit, Vielheit, Harmonie, ziehst Du die Energie für die 3 schätze auch aus Deiner buddhistischen Praxis?

Patrick: Ja, seit 1999 praktiziere ich jetzt Zazen und leite seit ca. 7 Jahren das San Bo Dojo in Bonn. Mitte 2012 habe ich die Mönchs-Ordination von Meister Roland Yuno Rech empfangen und seit der Eröffnung des Ladens, einen Monat später, kommen nun viel mehr interessierte Menschen als früher zu uns und möchten Zazen, die Zen-Meditation, ausprobieren. So hat sich, durch die Nähe des Laden und unseres Zen Dojos, auch mein Engagement für die Zen-Praxis verändert. Das bedeutet mehr Einführungen, mehr Gespräche und auch mehr Fluktuation im Dojo.

zen_kreis

Patrick: Entwickelst Du das eigentlich alles selbst?

Patrick: Vieles von dem, was die 3 schätze ausmacht, wäre ohne die Hilfe und Unterstützung vieler Freunde nicht möglich. Sei es die grafischen Gestaltung, die Internetadministration, die grosszügigen Lebensmittelspenden oder die endlosen Ideenschmiedeabende. Dafür bin ich immer wieder unglaublich dankbar!!!

So möchte ich hier mit einem Ausdruck schließen, den ein Teilnehmer neulich in mein Gästebuch geschrieben hat: „Smilence“

 

3-schaetze-LadenfrontSchöne Weihnachten und alles Gute für das kommende Jahr.

Mögen alle Wesen glücklich sein!